Revision: Neue Regeln für Apothekenkontrolle Lothar Klein, 06.09.2018 10:15 Uhr
Als Reaktion auf die gestiegenen Anforderungen und die Arzneimittelskandale der jüngsten Vergangenheit wollen die Bundesländer die Arzneimittel- und Apothekenaufsicht vereinheitlichen. Dazu wird eine neue Super-Arbeitsgruppe eingerichtet, die den Länderbehörden Vorgaben zur Kontrolle machen wird. Im Rahmen der Arbeitstagung der pharmazeutischen und veterinärmedizinischen Überwachungskräfte der Länder (PhAT) wird dazu am 26. September die Expertenfachgruppe zum „Erfahrungsaustausch im Bereich der Apothekenüberwachung“ (EFP) eingerichtet.
Ausrichter der Phat-Tagung ist in diesem Jahr Schleswig-Holstein. „Die Fachgruppe dient der Harmonisierung des Vollzugs arzneimittel-, apotheken- und betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften durch die zuständigen Landesbehörden. Sie soll den Transfer von Wissen und Erfahrung zwischen dem Überwachungspersonal der Länder ermöglichen“, teilte dazu das Gesundheitsministerium mit. Zur Sprache kommen sollen dort auch die jüngsten Arzneimittelskandale im Zusammenhang mit Valsartan und Lunapharm sowie der Zyto-Skandal von Bottrop und die Cannabis-Versorgung.
„Der Abstimmungsbedarf bei der Apothekenüberwachung hat sich in der Vergangenheit insgesamt erhöht. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die neu hinzugekommenen Sondervorschriften zum patientenindividuellen Stellen oder Verblistern von Arzneimitteln und der Herstellung von Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung“, heißt es ergänzend dazu vom Landesministerium. Durch die Einrichtung der Fachgruppe könnten zukünftig spezifische Apothekenprobleme besser fachlich aufbereitet und zur Beschlussempfehlung für die Arbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AATB) vorbereitet werden. Es sei geplant, die Koordination der Fachgruppenarbeit bei der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) anzusiedeln.
Die Fachgruppe soll laut Planung folgende Aufgaben übernehmen:
- Koordination und Abstimmung bei Fragen zur einheitlichen Umsetzung des Apothekenrechts einschließlich arzneimittel- betäubungsmittel- und heilmittelwerberechtlicher Fragestellungen
- Stellungnahmen zu fachlichen Anfragen sowie Rechtssetzungsvorhaben
- Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen beim Überwachungspersonal
- Erstellung von Inspektionshilfen
- Fachlicher Austausch mit anderen Expertenfachgruppen, z.B. in Sachen Arzneimittelgroßhandel
- Mitwirkung in nationalen Gremien
Überrascht wurden von der Gründung der neuen Fachgruppe die Pharmazieräte. Die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte (APD) trifft sich vom 16. bis 19. September in Osnabrück zu ihrer Jahrestagung. Deren Vorsitzender Dr. Christian Bauer war über die Gründung der neuen Fachgruppe zur Vereinheitlichung der Länderaufsicht nicht informiert. Er sieht aber keine Konkurrenz in der Arbeitsgruppe: „Das kann uns nur helfen“, so Bauer, „das kann eine sinnvolle Ergänzung zu unserer Arbeit sein.“
Nicht eingeweiht war auch die Landesapothekerkammer Schleswig-Holstein, obwohl man dort gute und enge Kontakte zur Arzneimittel- und Apothekenaufsicht des Landes führt. Man wäre schon gerne einbezogen worden, hieß es dazu von der Geschäftsstelle in Kiel, die erst auf Anfrage von APOTHEKE ADHOC von der Gründung der neuen Fachgruppe erfuhr. Die Einrichtung der neuen Fachgruppe wird koordiniert am Landesamt für Soziale Dienste (LaSD), der zuständigen Aufsichtsbehörde.
Unklar ist, welchen Konsequenzen die neue Fachgruppe für die Arbeit der Pharmazieräte haben wird. Die APD will nämlich unabhängig davon auf ihrer Herbsttagung in Osnabrück einheitliche Regeln für die Apothekenkontrolle vereinbaren. Schon lange sind die unterschiedlichen Anforderungen der Landesbehörden an die Kontrollen ein Thema bei den Pharmazieräten. Die Frequenz der Besuche variiert, mal werden sie angekündigt, mal nicht. In einigen Ländern sind bei den Behörden angestellte Amtsapotheker zuständig, in anderen sehen ehrenamtliche Pharmazieräte bei den Kollegen vorbei.
Den Föderalismus können die rund 200 Pharmazieräte nicht abschaffen, aber sich um eine möglichst einheitliche Auslegung der Verordnungen und Gesetze bemühen – in Abstimmung mit den jeweils zuständigen Landesbehörden. Schon auf früheren Tagungen wurden konkrete Handlungsanleitungen erarbeitet. Jetzt soll das Ganze praxisnaher werden: Für ihre Tagung im September haben sich die Pharmazieräte vorgenommen, ein „Handbuch zur Apothekenrevision“ zu erstellen.
Zwar sei die Überwachung der Apotheken immer noch Ländersache, doch die Punkte, die in der Apotheke zu prüfen sind, seien überall gleich, heißt es zur Begründung. Damit die Prüfer es in den Apotheken möglichst leicht haben, setzt auch die APD auf moderne Technik. Module zu einzelnen Paragraphen der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sollen digital aufbereitet werden. Für die noch eher analogen Kollegen soll es ein Handbuch geben.
Das Ziel der APD ist ambitioniert: „Diese Module sollen auch langfristig die Überwachung der einzelnen Apotheken immer einheitlicher gestalten. Und in optimaler Weise eines Tages zu einem bundesweit einheitlichen Revisionsbogen führen.“ Bei der Tagung im September können und sollen die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft ihre Vorschläge und Erfahrungen einbringen.
Drei Tage sitzen die Pharmazieräte insgesamt zusammen, die Überwachung von Zyto-Laboren steht erwartungsgemäß auch auf dem Programm. Auch hierfür soll eine Checkliste erarbeitet werden. Weitere Themen sind die Überwachung der Heimversorgung und die Rezeptur. Auf der Tagung sollen auch aktuelle Vorfälle zur Sprache kommen. „Denn wir Pharmazieräte und Amtsapotheker erfüllen mit unserer Überwachungstätigkeit nicht nur eine staatliche Aufgabe, sondern leisten auch einen wichtigen und wertvollen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit und damit zur Gesundheit und zum Wohl der Bevölkerung“, so das Selbstverständnis. „Wir stehen zudem auch in der Verantwortung für den Berufsstand und erfüllen eine berufspolitische Funktion – als Vorbild, als Motivator, als Ideengeber.“
Inwiefern die neue Fachgruppe auch für die Arzneimittelaufsicht außerhalb der Apotheken Folgen haben wird, bleibt abzuwarten. Die jüngsten Arzneimittelskandale hatten Schwächen in der Kontrolle von Zwischenhändlern und Herstellern, die den Ländern untersteht, offenbart.
Im Fall des Brandenburger Pharmahändlers Lunapharm versagte die Kontrolle durch das zuständige Landesamt LAVG. Dadurch gelang es Lunapharm, jahrelang mutmaßlich in Griechenland gestohlene Arzneimittel in Deutschland zu vertreiben. Der Bericht der Task Force warf den Behörden sowie dem Landesgesundheitsministerium schwere Versäumnisse vor. Ministerin Diana Golze (Die Linke) musste schließlich zurück treten.
Im Fall der Verunreinigungen beim Blutdrucksenker Valsartan regierten die zuständigen Landesbehörden unterschiedlich schnell auf die Hinweise, so dass die Rückrufe nicht zu einem einheitlichen Zeitpunkt erfolgten. Daraufhin hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Prüfung angekündigt, ob daraus Konsequenzen für föderale Ordnung der Arzneimittelaufsicht in Deutschland gezogen werden müssten. Die Gründung der neuen Fachgruppe ist allerdings keine direkte Folge dieser Ankündigung.