Retaxfirma Protaxplus droht die Insolvenz Alexander Müller, 28.02.2019 09:45 Uhr
Die Rezeptprüffirma Protaxplus aus Essen steckt in der Krise. Die Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS) wurde darüber informiert, dass das Unternehmen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat. Protaxplus ist vielen Apothekern noch aus einer Phase besonders kleinlicher Retaxationen in Erinnerung.
Laut GdS wurde arbeitgeberseitig auch den Mitarbeitern bereits mitgeteilt, dass für Protaxplus ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wurde. Geschäftsführer Martin Deneke, der die Firma seit dem Ausscheiden von Normann Johannes Schuster im vergangenen Juli alleine führt, hat sich auf mehrere Anfragen noch nicht zurückgemeldet. Offiziell eingetragen ist der Antrag noch nicht, weshalb auch das zuständige Amtsgericht keine näheren Angaben machen darf.
Bei der GdS sieht man allerdings keinen Grund, warum der Vorstand ohne tatsächlichen Grund mit dem Thema an die Gewerkschaft herangetreten sein sollte. Dort ist man von diesem Schritt enttäuscht: „Es liegt selbstverständlich in der Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers, solche Schritte zu gehen, allerdings hätten wir uns auf Grundlage der vorhergehenden, durchaus erfolgversprechenden Verhandlungen ein anderes Ergebnis gewünscht.“
Denn einem GdS-Sprecher zufolge gab es bereits im vergangenen Jahr lange Gespräche mit Protaxplus. Bei solchen Gelegenheiten besprechen Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage mit der Gewerkschaft für gewöhnlich mögliche Einschnitte beim Tarifgehalt oder sonstige Sparprogramme. Auch mit Protaxplus gab es demnach schon länger Überlegungen für einen Sozialplan.
Da die Protaxplus-Führung aber nunmehr „den Schritt Richtung Insolvenz gegangen“ sei, informiert die Gewerkschaft ihre Mitglieder sicherheitshalber über den bestehenden Rechtsschutz. Die GdS teilt ferner mit, dass sich zunächst nichts an dem bestehenden Arbeitsverhältnis ändert, rät den Mitgliedern aber, sich kurzfristig bei der Bundesagentur für Arbeit über Arbeitslosengeld (ALG I) sowie Insolvenzgeld beraten zu lassen. Sollte das Insolvenzverfahren später eröffnet werden, könne der Insolvenzverwalter die Kündigungsfrist auf drei Monate verkürzen.
Protaxplus war 2011 vom BKK-Landesverband Nordwest ausgegründet worden, der bereits seit 1948 die Abrechnungen seiner Mitglieder prüfte. Ab Herbst 2011 wurden im Auftrag der Novitas BKK sowie den mittlerweile fusionierten BKK vor Ort und BKK Hoesch (seit 2015: Viaktiv) massenhaft Null-Retaxationen aufgrund von Formfehlern ausgesprochen. Die Beanstandungen der BtM-Rezepte waren zum Teil so kleinlich, dass sogar die Politik sich zum Einschreiten genötigt sah und andere Krankenkassen auf Distanz gingen.
Kuriose Fälle gab es auch in der jüngeren Vergangenheit noch. Protaxplus retaxierte für die BIG direkt ein Rezept über das Biosimilar Remsima (Infliximab, Mundipharma). Die Kasse hatte mit dem Importeur Krugmann einen Rabattvertrag geschlossen. Obwohl der Arzt seine Verordnung über das Original mit einem Aut-idem-Kreuz gekennzeichnet hatte, war die Apotheke daher zum Austausch verpflichtet. Weil das Rabattarzneimittel nicht verfügbar war, gab die Apotheke das Original wie verordnet ab. Doch Protaxplus erkannte die Bestätigung des Großhändlers über die Nichtverfügbarkeit nicht an und retaxierte 2500 Euro. Besonders bitter, Importeur Krugmann gehört zu Mundipharma, das abgegebene Präparat kam de facto sogar aus dem richtigen Haus.
Selbst falsch zugestellt hatte Protaxplus dagegen Rezeptimages. Der Fall ereignete sich 2015. Im Auftrag der Pronova BKK kündigte der Dienstleister gegenüber einer niedersächsischen Apotheke eine Absetzung von etwas mehr als 820 Euro an. Beigefügt waren wie gewohnt Kopien der Rezeptimages, insgesamt etwa 20 Fälle. Nur waren die Patienten zuvor nie in dieser Apotheke, sondern bei einem Kollegen in Köln.