Die TK-Rezeptur-Polizei Julia Pradel, 09.10.2014 14:35 Uhr
Woher wollen die das denn wissen? Diese Frage stellt sich jedem, der sich mit den aktuellen Retaxationen der TK befasst. Die Kasse hat in den vergangenen Tagen Rechnungen über Rezepturen auf Null gekürzt, weil sie Zweifel daran hat, dass sich die Apotheker bei der Prüfung der Ausgangsstoffe an die Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) halten. Was nicht sein darf, das kann auch nicht sein, lautet die mutige Devise der Rezeptur-Polizei.
Die TK spielt Pharmazierat. Ob Mitarbeiter der Kasse in Apotheken gegangen sind und die Herstellung überprüft haben, ist nicht überliefert – darf aber bezweifelt werden: Die meisten Kollegen hätten sie wohl hochkant rausgeworfen. Den Rezepten wiederum sieht man nicht an, ob und wie die Ausgangsstoffe geprüft wurden. Also retaxiert die Kasse offensichtlich auf gut Glück drauf los.
Womöglich haben die Bluthunde in der Retaxstelle einen tollen Tipp aus der Praxis bekommen: Salbengrundlagen sind schwierig, oder etwas in der Art. Schon bei Protaxplus war es der ehemalige Mitarbeiter eines Apothekerverbands, der sein Spezialwissen über T-Rezepte mitbrachte. Doch schon damals scheiterten die Kassen mit ihrem Versuch, sich als Aufsicht aufzuspielen: Die Politik pfiff die Retax-Freischärler zurück.
Nach T-Retax jetzt also Rezeptur-Retax. Dabei stellen sich gleich mehrere Fragen: Haben Kassen irgendwelche apothekenrechtlichen Kontrollbefugnisse? Könnten sie aus Verstößen gegen die Vorgaben überhaupt vertragliche Ansprüche – wie die Rechnungskürzung – ableiten? Und schließlich: Wer trägt die Beweislast in einem solchen Streit?
Zuletzt war Stiftung Warentest an der Vollnuss von Ritter Sport abgeprallt: Die Annahme, dass sich ein Aromastoff nur synthetisch herstellen lässt, rechtfertigt noch lange nicht die Behauptung, dass er auch synthetisch hergestellt wurde. Warum sollten im TK-Streit ausgerechnet die Apotheker beweis- und darlegungspflichtig sein?
Aus gutem Grund ist die TK jetzt in Gesprächen mit dem DAV und hat derweil die Retaxationen ausgesetzt. Gemeinsam soll eine Lösung gefunden werden. So recht scheint man bei der Kasse ohnehin noch nicht in die neue Rolle gefunden zu haben: Zunächst begründete die Kasse die Retaxationen noch damit, dass die Salben und Cremes nicht erstattungsfähig seien – obwohl sie mitunter verschreibungspflichtige Wirkstoffe enthielten. Erst auf Nachfrage wurden die Zweifel an der Prüfung der Ausgangsstoffe ins Feld geführt.
Sollte sich die TK aber durchsetzen, werden es sich die Apotheken künftig zweimal überlegen, ob sie für 7,95 Euro das Risiko einer Nullretaxation auf sich nehmen. Das kann für die Kasse, die sich familienfreundlich und jugendlich gibt, nach hinten losgehen, werden doch die meisten Rezepturen für Kinder hergestellt. Und vielleicht will dann auch kein Apotheker überhaupt noch Geschäfte mit der Kasse machen: Wer will schon bei jedem Rezept nachweisen, dass alles korrekt gelaufen ist?