Die DAK gilt unter Apothekern als besonders streng mit Retaxationen. Deshalb war eine Apothekerin aus Langenfeld nicht sonderlich überrascht, als ihr Einspruch gegen eine Vollabsetzung abgelehnt wurde. Was sie erstaunte war der Anruf des Mitarbeiters, der mit ihr über die Höhe der Retaxation verhandeln wollte.
Die Retaxation war äußerst unglücklich zustande gekommen: Die Praxissoftware war ausgefallen und die Ärztin musste alle Rezepte per Hand ausstellen. Ausgerechnet bei einem T-Rezept unterlief ihr dabei ein folgenschwerer Fehler – sie vergaß den Stempel. Das fiel in der Apotheke zwar auf, die seit Jahren bekannte Patientin wurde trotzdem versorgt. Den fehlenden Stempel wollte die Apothekerin bei der ebenfalls gut bekannten Ärztin später besorgen. Das Rezept rutschte dann aber aus Versehen doch mit in die Abrechnung.
Der Rest ist Routine: Die DAK retaxierte die Verordnung über Imnovid (Pomalidomid) und kündigte eine Netto-Absetzung von 12.254,12 Euro. Über den Apothekerverband Nordrhein (AVNR) legte die Apothekerin Widerspruch ein. Beigefügt wurde eine Stellungnahme der Ärztin, die ihr Versehen einräumte und die Verordnung bestätigte. Der AVNR bat im Namen der Apotheke in diesem Fall um Kulanz – vergeblich.
Die Apothekerin schrieb daraufhin die Verwaltungsräte der Kasse an und schilderte ihren Fall. In der vergangenen Woche erhielt sie dann einen Anruf, allerdings von der Abrechnungsstelle der Kasse. Der Mitarbeiter teilte ihr zunächst mit, dass man die Retaxation nicht zurücknehmen werde. „Aber dann hat er gefragt, was die Kasse für mich tun könne“, berichtet die Apothekerin. „Bezahlen Sie die Versorgung Ihrer Versicherten“, sei ihr Vorschlag gewesen. Der wurde natürlich abgelehnt. Auch auf die Erstattung des Einkaufspreises wollte sich der DAK-Mitarbeiter nicht einlassen.
Die Apothekerin kam sich allmählich veralbert vor: Was er denn von ihr hören wollte, habe sie den Mitarbeiter der Abrechnungsstelle in Bremen gefragt. „Ich sollte ihm einen Betrag nennen, der mir in meinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten helfen könnte“, so die Apothekerin. „Der hat Trödelmarkt mit mir gespielt“, empört sie sich.
Was sie besonders ärgert: Die Kasse hatte den fünfstelligen Betrag im November bereits verrechnet, was sie kurz vor Weihnachten tatsächlich in Bedrängnis gebracht habe. Im Dezember wollte die Kasse – anscheinend aus Versehen – sogar erneut retaxieren. Nur ein Einschreiten ihres Rechenzentrums habe das verhindert, berichtet die Apothekerin. Sie hat die Sache ihrem Anwalt übergeben.
Selbst wenn Klagen vor den Sozialgerichten meist wenig Aussicht auf Erfolg haben, will die Apothekerin zumindest öffentlich ein Zeichen setzen. Das aus ihrer Sicht unmenschliche Verhalten der Kasse müsse bekannt gemacht werden.
Die DAK ist sich ihrer Rolle durchaus bewusst. Schon im Anschreiben zur Retaxation hieß es, dass die angegebene Beschwerdehotline „in den nächsten Tagen wegen erhöhten Anrufaufkommens“ vielleicht nur eingeschränkt zu erreichen sei. Und in den unlängst verschickten Tipps gegen Retaxationen heißt es: „Uns ist die Unzufriedenheit der Apothekerschaft mit unserer Retaxationspraxis bewusst.“
Die DAK hat auch begründet, warum sie insbesondere bei T-Rezepten so streng retaxiert: Mit Blick auf die Patientensicherheit beanstande man Verordnungen mit fehlender Arztunterschrift oder einem handschriftlichen Vermerk im Aut-idem-Feld. „Das mag formalistisch erscheinen, für uns sind dies aber Fehler, die die Gesundheit der Versicherten gefährden können und sich nicht nachträglich korrigieren lassen“, so die DAK.
Zwischen Apothekern und GKV-Spitzenverband läuft derzeit ein quasi gesetzlich angeordnetes Schiedsstellenverfahren zum Thema Null-Retaxationen aufgrund von Formfehlern. Anfang Februar soll das zweite Treffen unter der Leitung von Dr. Rainer Hess stattfinden, möglicherweise soll es dann schon einen Schiedsspruch geben.
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