Formfehler kostet Apothekerin 15.000 Euro Alexander Müller, 11.11.2014 10:03 Uhr
Formfehler auf Rezepten bei der Abrechnung von Zytostatikalösungen können Apotheker teuer zu stehen kommen. In einem zwischenzeitlich rechtskräftigen Urteil hat das Landessozialgericht Darmstadt (LSG) entschieden, dass die Kasse retaxieren darf, wenn dem Arzt beim Übertragen der Daten vom Anforderungsschein auf das Rezept Fehler unterlaufen. Entscheidend ist laut den jetzt vorliegenden Urteilsgründen einzig und allein, was auf dem Rezept steht. Der Apothekerin ist ein Schaden von fast 15.000 Euro entstanden.
In dem Verfahren ging es um die Kosten für eine Chemotherapie, die bei einer Patientin zwischen Februar und Juli 2009 in elf Zyklen durchgeführt wurde. Mit der Herstellung der Zytostatikalösungen hatte die Apothekerin die Krankenhausapotheke des örtlichen Klinikums beauftragt. Das Regierungspräsidium Darmstadt hatte als Aufsichtsbehörde zugestimmt, dass das Klinikum die onkologische Praxis in einem Brustzentrum direkt beliefern darf, wenn die Apothekerin dies schriftlich beauftragt.
Der behandelnde Arzt bestellte die Lösungen per Anforderungsschein. Neben der Indikation waren darauf auch Therapieschema und Medikation vorgedruckt – in diesem Fall liposomales Doxorubicin. In der Klinik wurde nach dem Wiegen der Patientin unter anderem die Dosis handschriftlich eingetragen. Die Rezepte reichte der Arzt jeweils nach der Behandlung nach.
Dabei unterlief ihm allerdings ein Fehler: Er verordnete nur Doxorubicin in Lösung – der Hinweis „liposom.“ oder „lip.“ fehlte auf den Rezepten. Ein erheblicher Unterschied: Statt rund 1500 Euro kostet das „normale“ Doxorubicin nur 145 Euro. Die DAK-Gesundheit kürzte den Rechnungsbetrag für alle Rezepte von 16.400 Euro auf 1600 Euro. Die Einsprüche der Apothekerin gegen die Retaxationen wurden abgelehnt.
Da die Patientin liposomales Doxorubicin erhalten hatte, was auch der Arzt nachträglich bestätigte, klagte die Apothekerin. In erster Instanz bekam sie vor dem Sozialgericht Darmstadt recht. Die Richter begründeten die Abweichung von den strengen Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG) mit den Besonderheiten der ambulanten Chemotherapie.
Diese Besonderheiten sah das LSG im Berufungsverfahren nicht. Die Herstellung sei nicht aufgrund einer ordnungsgemäßen Verordnung erfolgt. Korrekturen auf dem Rezept seien stets vor der Abrechnung vorzunehmen. Diese „Formalisierung“ sei angesichts der Herausforderungen eines Massenverfahrens zulässig, so die Richter. „Dass die Patientin – unstreitig – liposomales Doxorubicin erhalten hat und auch die Annahme, dass dieses und nicht das 'einfache' Doxorubicin medizinisch indiziert war, vermag hieran nichts zu ändern“, heißt es in der Begründung.
Auch wenn die offizielle Verordnung des Arztes sachlich falsch gewesen sein möge, habe die Patientin nur Anspruch auf das „einfache“ Medikament gehabt. Entsprechend müsse die Kasse nur dieses vergüten, weitere Ansprüche haben die Apothekerin nicht, so das Gericht.
Zur Begründung verwiesen die Richter noch auf die Regelung bei Privatrezepten. Diese könnten innerhalb eines Monats gegen eine ordnungsgemäße Verordnung umgetauscht werden, die Kasse sei dann zur Zahlung verpflichtet. Diese konkrete Ausnahme zeige, dass es keinen Raum für weitere Abweichungen vom Arzneiliefervertrag gebe. Auch die Hilfstaxe sehe nicht vor, dass auf das Vorliegen des Rezeptes verzichtet werden könne, so die Richter.
Überhaupt hatte das LSG Probleme mit der Konstruktion in diesem Fall: Die Richter äußerten Zweifel daran, dass die direkte Belieferung durch die Krankenhausapotheke überhaupt mit dem Sozialgesetzbuch zu vereinbaren gewesen sei. Schließlich sei die Belieferung ambulanter Chemotherapiepraxen den öffentlichen Apotheken vorbehalten. Im Verfahren spielte dies für das LSG aber keine Rolle.
Fraglich war für die Richter auch, ob jeweils eine schriftliche Beauftragung der Krankenhausapotheke durch die retaxierte Apothekerin vorlag. Die zeitlichen Abstände zwischen dem Fax der Klinik an die Apotheke und der Herstellung erschienen den Richtern teilweise zu kurz. Immerhin musste die Apothekerin laut dem mit der Klinik geschlossenen Vertrag die Beauftragung prüfen.
Doch selbst wenn man die Herstellung und den Transport der Lösung noch der Apothekerin zurechnen würde, hatte sie laut LSG wegen des abweichenden Rezeptes keinen Vergütungsanspruch. Das Versenden eines Anforderungsscheins möge in der Praxis seine Berechtigung haben, so das LSG. „Allerdings kann dieser die ärztliche Verordnung allenfalls ergänzen, nicht ersetzen.“
Die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel zwingend an ein Rezept zu binden, sei schon arzneimittelrechtlich geboten, so das LSG. Denn unabhängig von der Funktion gelte bei der Vergütung das Sachleistungsprinzip. Die Bindung an ein Rezept sei dabei konstitutiv.
Die Richter hatten zwar Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Doch offenbar hat die Apothekerin davon keinen Gebrauch gemacht: Das Urteil aus dem Mai ist inzwischen rechtskräftig.