Apotheken sollten im Fall von Retaxationen beim Großhandelsnachweis als Beleg für eine Nichtlieferfähigkeit doppelt hinsehen. Denn nicht jeder Nachweis genüge den Anforderungen des Rahmenvertrages, erklärt Dr. Sebastian Schwintek. Der Geschäftsführer des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL) fordert von den Großhändlern, Apotheken taugliche Belege auszustellen. Außerdem kritisiert er die Krankenkassen für ihre Willkür.
Die DAK Gesundheit hatte zuletzt bei mehreren Apotheken gekürzt, weil sie statt des rabattierten Arzneimittels ein anderes Präparat abgegeben hatten. Eingereichte Defektlisten der Großhändler als Nachweis für die Nichtlieferfähigkeit ließ die Kasse dabei nicht gelten. Ein Grund: Die Nichtverfügbarkeit beim Großhandel sei nicht mit der Nichtlieferfähigkeit des Herstellers gleichzusetzen, argumentierte die Kasse.
Schwintek empfiehlt Apotheken, bei dem Nachweis auf den Inhalt zu achten: „Der Großhandel muss explizit bescheinigen, dass das Produkt nicht durch den Hersteller geliefert werden kann.“ Eine reine Bestätigung der Nichtverfügbarkeit beim Großhandel wie etwa „Artikel war bei uns nicht vorrätig“ reicht laut Schwintek vertraglich nicht aus. In dieser Hinsicht sei der Rahmenvertrag eindeutig: Dort wird der Nachweis gefordert, dass ein Rabattarzneimittel „vom pharmazeutischen Unternehmer nicht geliefert werden konnte“.
Die Großhändler wüssten, was sie schreiben müssten, sagt Schwintek. „Sie dürfen die Apotheken nicht hängen lassen.“ Der AVWL-Geschäftsführer kritisiert, dass Vollsortimenter in der Vergangenheit gerade bei hochpreisigen Präparaten wie Copaxone ihrer gesetzlichen Bevorratungspflicht nicht immer nachgekommen seien: „Es gibt Unternehmen, denen es zu teuer ist, bestimmte Arzneimittel zu lagern.“ Wenn alle Großhändler ihrer Verpflichtung korrekt nachkommen würden, gäbe es weit weniger dieser Probleme. Deshalb sei es hilfreich, einen Zweit- oder Drittlieferanten zu haben.
Laut Schwintek werden die Arzneimittellieferverträge regelmäßig aktualisiert. Außerdem werde seitens der Apothekerverbände auf klare und eindeutige Formulierungen geachtet. Dadurch würden die Vereinbarungen aber nicht weniger komplex. Es sei nachvollziehbar, dass Apotheken nicht alle Formulierungen des Vertrags parat hätten. Dass im Apothekenalltag etwas durchrutschen könne, sei bei der hohen Komplexität verständlich. „Einzelne Kassen interpretieren die Inhalte aber bewusst falsch, um Profit daraus zu schlagen.“
Einzelne Kassen wollten die Retax-Regeln nicht nur für den Ausgleich eines durch Fehler der Apotheken entstehenden wirtschaftlichen Schadens nutzen, so Schwintek. „Sie wollen sich unter dem Vorwand der Disziplinierung der Apotheken wirtschaftliche Vorteile verschaffen.“ Die Retax-Regeln hätten aber weder eine Sanktionsfunktion noch seien sie ein Instrument für die Verfolgung übergeordneter Ziele wie das der Arzneimittelsicherheit.
Die Verhandlungen seien nicht einfach: „Wenn die Apothekerverbände die Retaxregeln alleine bestimmen könnten, würden die Verträge klarer ausfallen“, so Schwintek. In Westfalen-Lippe sei mit den Primärkassen vereinbart worden, dass nicht wegen Formfehlern retaxiert werde – genauso wie in Hamburg sowie in Sachsen und Thüringen. „Wir haben eine partnerschaftliche Lösung gefunden.“ Eine Kündigung der Verträge sei keine Lösung. „Wenn sich ein Verbesserungsbedarf zeigt, versucht man neu zu verhandeln.“
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