Halten sich die Apotheken nicht an die Rabattverträge, werden sie von den Krankenkassen retaxiert. Bei Selektivverträgen zu Sterilrezepturen ist das nicht so einfach. Denn die Kasse kann ihre Versicherten nicht dazu zwingen, die Rezepturen nur von der Apotheke zu beziehen, die den exklusiven Zuschlag gewonnen hat. Die Barmer GEK hat bei ihrer Zyto-Ausschreibung deshalb frühzeitig Druck auf die Apotheken ausgeübt.
Ende Januar konnte die Kasse bei ihrem Pilotprojekt in Nordrhein-Westfalen die Zuschläge erteilen. Am selben Tag ging ein Schreiben an Apotheken, die in der Vergangenheit viele Rezepte aus einer der 19 betroffenen Arztpraxen abgerechnet, aber keinen Vertrag gewonnen hatten. Die Kasse weist auf die neuen Bezugswege hin und spricht eine leise Drohung: „Die Barmer GEK geht davon aus, dass die Vertragsärzte im Sinne der Wirtschaftlichkeit und der gesetzlich zulässigen Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apotheken handeln werden. Wir weisen zudem ausdrücklich auf das Retaxierungsrisiko für die Apotheken hin.“
Aus Sicht des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL) ist die Kasse mit ihrem Brief zu weit gegangen: „Ihre Versicherten haben – wie alle GKV-Versicherten – freie Wahl, von welcher Apotheke sie versorgt werden wollen und wo sie eine ärztliche Verordnung über Arzneimittel einlösen“, schrieb AVWL-Geschäftsführer Dr. Sebastian Schwintek an die Barmer. Der Verband sehe deshalb keinen Rechtsgrund für Retaxationen. Dies müsse die Barmer gegenüber den Apotheken klarstellen, forderte Schwintek.
Die Kasse sieht dazu keine Veranlassung – schlägt in ihrer Antwort aber doch leisere Töne an: Der Hinweis auf das Retaxationsrisiko sei in diesem Zusammenhang allgemeiner Natur und keinesfalls werde eine ordnungsgemäße Versorgung zu einer tatsächlichen Absetzung führen.
In der Praxis dürfte das Thema gar nicht so hoch kochen: Rezepte über Sterilrezepturen werden normalerweise direkt vom Arzt an die Apotheke geschickt. Dass ein Krebspatient mit seinem Rezept selbständig eine Apotheke aufsucht, dürfte die absolute Ausnahme sein. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte 2010 eine Beschwerde gegen die Zytoausschreibung der AOK unter anderem mit diesem Argument abgewiesen.
Trotzdem bleibt den Patienten natürlich das Recht auf die freie Apothekenwahl. Die Ärzte schlagen meist eine Apotheke vor. Beim Barmer-Projekt in NRW lassen die betroffenen Praxen ihre Patienten entscheiden: Sie müssen ankreuzen, ob sie von der neuen Vertragsapotheke oder weiterhin von ihrer gewohnten Apotheke beliefert werden möchten. So können sich die Onkologen selbst vor Regressen seitens der Kasse schützen. Offenbar vertraut die Kasse auf die Mithilfe der Ärzte. Denn diese wurden von der Barmer nicht vorab über ein „Regressrisiko“ informiert.
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