Retax retour: Kasse gelobt Besserung Alexander Müller, 04.09.2020 09:50 Uhr
Apotheker Wolfram Schmidt fühlte sich ungerecht behandelt, nachdem er wegen eines Formfehlers retaxiert worden war. Seinen Einspruch garnierte er deshalb mit einem offenen Brief an den Vorstand der Kasse und informierte parallel Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über den Vorgang. Auch wenn Letzterer sicher nicht aktiv geworden ist, hatte Schmidt mit seinem Einspruch Erfolg: Die Kasse hat nicht nur die Retax zurückgenommen, sondern gelobt in einer ausführlichen Stellungnahme auch noch Besserung.
Der Fall ist schnell erzählt. In Schmidts Mühlen-Apotheke im niedersächsischen Northeim wurde nicht die wirtschaftlichste Alternative des verordneten Arzneimittels abgegeben. Zwar war die Sonder-PZN für Akutversorgung auf dem Rezept vermerkt, dies aber nicht extra abgezeichnet. Dieser Formfehler veranlasste den Kassendienstleister Spectrum K hier im Auftrag der Landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK) zu einer Nullretax.
Schmidt protestierte: „Das Sonderkennzeichen gibt eindeutig den Grund meines Handelns wieder. Das Rezept ist mit Abgabedatum und Abzeichnung versehen, insofern sollte die Abrechnung zulässig sein.“ Eine zusätzliche Datumangabe sei weder im Rahmenvertrag noch im maßgeblichen Arzneimittelliefervertrag vorgesehen.
Jetzt hat Spectrum K die frohe Botschaft im typischen Behördensprech überbracht: „Die Bearbeitung Ihres Einspruchs zu o.g. Rezept/en ist unter Berücksichtigung aller vorliegenden Unterlagen abgeschlossen. Wir können Ihnen nunmehr mitteilen, dass Ihren Einwänden stattgegeben wurde und damit Ihr Einspruch anerkannt ist.“
Dann sollte in dem nicht personalisierten Schreiben vermutlich die nächste Standard-Passage zur Einzelfallentscheidung ohne präjudizierende Wirkung folgen. Doch dazwischen kündigte der Kassendienstleister eine separate Stellungnahme der Kasse an. Man hoffe, Apotheker Schmidt „mit unserer Entscheidung entgegengekommen zu sein“ und verblieb mit freundlichen Grüßen.
Und dann kam der angekündigte Brief der LKK – und der überraschte mehr als die zurückgenommene Retaxation. Im Auftrag von Arnd Spahn, Vorstandsvorsitzender der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), antwortet eine Mitarbeiterin der LKK, dass man dem Apotheker nach eingehender Prüfung des Sachverhalts zustimme und die Retax nicht „rahmenvertragskonform“ gewesen sei.
Mehr noch, die Kasse will Konsequenzen aus dem Vorfall ziehen: „Wir haben unseren Dienstleister Spectrum K bereits angewiesen, in derartigen Fallkonstellationen zukünftig keine Beanstandungen mehr vorzunehmen.“ Und weiter: „Im Übrigen nehmen wir Ihr Schreiben zum Anlass, die aktuelle Praxis zur Prüfung von Formfehlern bei der Arzneimittelversorgung auf den Prüfstand zu stellen.“
Die SVLFG nehme für sich in Anspruch, partnerschaftlich mit den Leistungserbringern umzugehen, insbesondere mit den Apothekern, heißt es in dem Brief. Dies zeige sich schon daran, dass in den knapp 20 Jahren, in denen die Kasse ihre Rezepte von externen Dienstleistern prüfen lasse, „kein einziger streitiger Fall auf gerichtlichem Weg entschieden werden musste“.
Danach nimmt sich die LKK noch die Zeit, sich Punkt für Punkt mit den Vorwürfen Schmidts auseinanderzusetzen. Nicht immer lag der Apotheker damit aus Sicht der Kasse richtig. So müsse etwa eine Einspruchsfrist nicht eigens angegeben werden, da diese im Rahmenvertrag geregelt sei. Dasselbe gilt für die Zuständigkeit des örtlichen Sozialgerichts, das nicht extra angegeben werden müsse.
Doch inhaltlich räumt die Kasse auch hier noch mehrfach ein, dass man sich den Ausführungen des Apothekers anschließe. Zum in der Retaxation ungenau angegebenen Absetzungsgrund heißt es etwa: „In diesem Punkt stimmen wir Ihnen zu. Wie eingangs bereits erwähnt, werden wir unsere Prüfweise hier anpassen.“ Das Schreiben ging nachrichtlich an Kammer und Verband in Niedersachsen.
Mit einer so freundlichen Rückmeldung kann Schmidt nur zufrieden sein, mit der Rücknahme der Retax sowieso. Bleibt für den Apotheker nur zu hoffen, dass auch Minister Spahn solche Fälle wahrnimmt. An das Bundesgesundheitsministerium hatte Schmidt geschrieben: „Es kann nicht sein, dass es Aufgabe der Apotheken ist, einen fehlenden i-Punkt zu finden oder wie hier ein Sonderkennzeichen, das alles begründet, was man zusätzlich vermerken könnte, zu kommentieren, um eine unzweifelhaft im Sinne des § 1 Apothekengesetz (‚Den Apotheken obliegt die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung‘) erbrachte Leistung auch vergütet zu bekommen.“ Eine Antwort von dieser Seite steht noch aus.