Retax-Deal

Kassen vom Retax-Zwang befreit

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Berlin -

Seit Anfang Juni gelten die neuen Retax-Regeln, auf die sich Apotheker und Kassen im Schiedsverfahren geeinigt haben. Zwar sind die Vertragspartner noch unterschiedlicher Meinung, ob das Vereinbarte auch rückwirkend für laufende Retaxationsverfahren gilt, aber zumindest wurde nach jahrelangen erfolglosen Verhandlungen ein Konsens zu Papier gebracht. Die Kassen können sich künftig nicht mehr damit herausreden, sie seien aus Wirtschaftlichkeitsgründen zu noch so absurden Absetzungen gezwungen.

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat einen Kommentar zum neuen §3 des Rahmenvertrags verfasst, der die Einigung mit dem GKV-Spitzenverband erklärt. Darin wird unter anderem darauf hingewiesen, dass Krankenkassen im Einzelfall von einer Retaxation absehen können, obwohl sie dazu gemäß vertraglicher Vorgabe berechtigt wären. Laut Rahmenvertrag kann die Kasse die Apotheke trotzdem „ganz oder teilweise“ vergüten. Die Einbehaltung des Apothekenhonorars bei Erstattung der Arzneimittelkosten wäre damit etwa möglich – eine Strafe, mit der viele Apotheker leben könnten.

Hintergrund dieser Regelung ist laut DAV, dass Kassen „sich in der Vergangenheit häufig auf ihre Aufsichtsbehörde berufen haben, welche es untersage, auf Retaxationen zu verzichten, wenn kein Vergütungsanspruch entstanden sei“. Dem stünde nämlich das Gebot ordnungsgemäßer Mittelverwaltung entgegen. „Dieser Einwand ist künftig nicht mehr möglich“, so der DAV. Die Krankenkassen könnten „in jedem denkbaren Fall frei über die Unterlassung einer Beanstandung entscheiden“, heißt es in der Bewertung.

Ein Kernelement der Einigung zwischen DAV und GKV-Spitzenverband ist, dass kleine formale Fehler nicht mehr zu Retaxationen führen sollen, sofern Arzneimittelsicherheit und Wirtschaftlichkeit nicht wesentlich tangiert sind. Dazu zählen fehlerhafte Abkürzungen, Schreibfehler oder die Art und Weise, wie der Arzt das Aut-idem-Feld ausfüllt.

Auch bei der Unterschrift des Arztes haben die Apotheker laut DAV „keine erschwerende Prüfpflicht. „Ob ein Schriftzeichen eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung (Handzeichen, Paraphe) darstellt, beurteilt sich nach dem äußeren Erscheinungsbild. Dabei ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, sofern die Autorenschaft gesichert ist“, so der DAV.

Ein Aufreger der vergangenen Monate war auch die fehlende Telefonnummer des Arztes auf dem Rezept. Dies scheidet als Retaxgrund ebenfalls aus. „Die Telefonnummer soll jedoch lediglich die Kontaktaufnahme der Apotheke mit dem Arzt erleichtern, weshalb ihr Fehlen einen unbedeutenden Fehler darstellt“, konstatiert der DAV. Dasselbe gilt für fehlende Arztdaten: Sofern für den Apotheker eindeutig klar ist, um wen es sich handelt, darf nicht retaxiert werden. Vergisst der Arzt die Gebrauchsanweisung bei einer Rezeptur, darf der Apotheker diese selbst ergänzen.

In der Vergangenheit wurden mehrere horrende Retaxationen wegen fehlender Kreuze auf T-Rezepten vor den Sozialgerichten verhandelt. Vor allem die DAK hat sich in mehreren Fällen durchgesetzt. Mit dem Retax-Deal wird dieses Problem nicht behoben, zumindest beim Druck verrutschte Kreuze dürfen aber nicht mehr beanstandet werden, wenn das Gesamtbild des T-Rezeptes eine Zuordnung ermöglicht.

Bereits im Vorfeld des Schiedsverfahrens hatte sich der DAV mit dem VDEK und einzelnen AOKen auf den Umgang mit Original- und Importarzneimitteln verständigt. Jetzt wurde auch mit dem GKV-Spitzenverband vereinbart, dass die Apotheker ein Präparat aus der gesamten Importgruppe oder das Original abgeben dürfen, auch wenn das Aut-Idem-Kreuz gesetzt ist.

„Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass es sich bei Importpräparaten und zugehörigen Originalen im rechtlichen Sinne um gleiche Arzneimittel handelt. Nach Auffassung des DAV gilt dies auch für Präparate mit Stoffen der Substitutionsausschlussliste. Die Apotheke genießt insoweit Wahlfreiheit“, so der DAV. Rabattverträge seien allerdings zu beachten und vorrangig abzugeben. Es bestehe allerdings die Möglichkeit, pharmazeutische Bedenken geltend zu machen, erinnert der DAV.

Bezüglich der Sonderkennzeichen haben die Apotheker zudem größere Beweglichkeit erhalten. Bei pharmazeutischen Bedenken oder in Akutfällen reicht es aus, die Sonder-PZN oder eine schriftliche Begründung auf dem Rezept anzubringen. Einige Kassen hatten in der Vergangenheit auf beide Angaben bestanden. Fehlt jede Angabe, die ein Abweichen vom Rabattvertrag begründen würde, darf der Apotheker diese im Beanstandungsverfahren nachholen.

Zwar reicht laut DAV das bloße Nachtragen der Sonder-PZN für pharmazeutische Bedenken ohne nachvollziehbare Begründung in diesem Fall nicht aus. Der DAV gibt aber Tipps, wie es geht: „Vorstellbar wäre als nachträglicher Nachweis für pharmazeutische Bedenken zum Abgabezeitpunkt z.B. die Angabe der verordneten Dosierung und der Nachweis, dass Rabattartikel in der geforderten Dosierung nicht verabreicht werden können (z.B. wegen fehlender Teilbarkeit) oder eine entsprechende Bestätigung durch den Arzt.“

Klargestellt wurde im Rahmenvertrag ferner, dass auch ein handschriftlich gesetztes Aut-idem-Kreuz zulässig ist und dass ein falsches Packungsgrößenkennzeichen keine Retaxation nach sich zieht. Dasselbe gilt laut DAV für eine veraltete Kassen-IK, was nach Kassenfusionen regelmäßig auftreten kann. „Dies ist in der Apotheke nicht prüfbar, weswegen Retaxationen insoweit ausgeschlossen sind“, so der DAV.

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