BKK lässt Arzt-Handschrift nicht gelten Nadine Tröbitscher, 28.06.2017 09:05 Uhr
Was war zuerst da, lautet die entscheidende Frage: Hat der Arzt das Medikament aufgeschrieben und dann seine Unterschrift auf das Rezept gebracht? Oder umgekehrt? Davon hängt ab, ob ein Apotheker aus Berlin sein Geld bekommt oder nicht.
Der Apotheker hatte ein maschinell ausgestelltes Rezept über Humira (Adalimumab, Abbvie) beliefert. Zusätzlich hatte der Arzt handschriftlich zweimal Turixim-Nasensalbe verordnet, auch diese hatte der Pharmazeut abgegeben. Für ihn gab es keinen Grund, das Rezept nicht in vollem Umfang zu beliefern. Dafür bekam er jetzt die Quittung und kassierte von der Betriebskrankenkasse (BKK) eine Retaxation über die Nasensalben.
Für die Kasse ist die handschriftliche Verordnung eine nachträgliche Ergänzung – und als solche hätte sie vom Arzt gegengezeichnet und -gestempelt werden müssen. Somit sah sich die BKK nicht in der Pflicht, für die Kosten des Arzneimittels aufzukommen. Für den Pharmazeuten besteht dagegen kein Zweifel: „Die handschriftlich verordnete Nasensalbe ist keine Ergänzung, sondern wurde im Zuge der Rezeptausstellung aufgebracht.“
Die Verordnung wurde für ein Kind ausgestellt, das Humira als Dauermedikation erhält. Da könne es schon einmal passieren, dass der Arzt das Rezept wie gewohnt ausdrucke und dann andere benötigte Medikamente dazu verordne, so der Apotheker. Auch die Kugelschreiberfarbe stimme bei Medikament und Unterschrift überein. Es gebe also keinen ersichtlichen Grund, die Augensalbe gegenzeichnen zu lassen.
Die Retaxation wollte der Apotheker nicht auf sich beruhen lassen und wandte sich an die Retaxstelle. In seinem Einspruch teilte er dem Abrechnungszentrum Emmendingen mit, dass erst das Arzneimittel rezeptiert und dann das Rezept unterschrieben wurde.
Von der Retaxstelle erhielt er dennoch eine Abfuhr, er habe „sich nicht an die Arzneimittelrichtlinie, Abschnitt E, weitere Anforderungen § 11 Absatz 1“ gehalten. Handschriftliche Änderungen auf der Verordnung müssten vom Arzt mit Datum und Unterschrift bestätigt werden.
Außerdem bezog sich die BKK auf ein Urteil des Bundssozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2009: „Schreibt der Arzneiliefervertrag eines Landes für den Fall der Erhöhung der verordneten Menge eines Arzneimittels vor, dass der Vertragsarzt die Änderung auf dem Kassenrezept mit Unterschrift und Datum zu bestätigen hat, erwirbt ein Apotheker keinen Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse, wenn er das Arzneimittel ohne diese Bestätigung an den Versicherten abgibt“, zitierte die Kasse.
Auch ein anteiliger Vergütungsanspruch sei ausgeschlossen: „Wenn Datum und Unterschrift des Arztes fehlen, wird laut BSG nicht nur die Ergänzung ungültig, sondern die gesamte Verordnung“, heißt es im Schreiben der Kasse weiter. Soll wohl heißen: Der Apotheker kann froh sein, nicht auch noch Humira retaxiert zu bekommen. „Unter Berücksichtigung des speziellen Einzelfalls haben wir daher von der Berichtigung des Gesamtbetrages abgesehen.“
Der Apotheker ist sauer, erst sei er zu unrecht retaxiert worden, dann habe die Kasse ihre Entscheidung auch noch falsch begründet. Obwohl der Arzt die Verordnung bestätigt hat, will er die Sache grundsätzlich prüfen lassen. Er hat den Vorstand angeschrieben und um Klärung gebeten.
Für ihn stellt sich nun die Frage, ob künftig rein handschriftlich ausgestellte Rezepte auch retaxiert werden, wenn der Arzt nicht jede Verordnungszeile gegenstempelt und unterschreibt. Vielleicht eine neue Lücke für Retaxationen.