Renal Pharmacist: Wie Apotheken die Medikation sicherer machen Cynthia Möthrath, 26.06.2022 11:07 Uhr
Apothekerin Jana Rudolph ist stolz: Gemeinsam mit drei anderen Klinikapotheken hat ihr Betrieb am Rudolf Virchow Klinikum in Glauchau am Projekt „Renal Pharmacist“ teilgenommen. Nach erfolgreichem Abschluss bewarb sich das Team um den Deutschen Preis für Patientensicherheit – und holte den ersten Platz.
Der Arbeitsalltag von Rudolph ist gänzlich verschieden zu dem in der öffentlichen Apotheke. Vor zwei Jahren bewarb sich das Klinikum in Glauchau für das Renal Pharmacist-Projekt. Ein zweistufiges Bewerbungsverfahren musste durchlaufen werden, bis aus rund 30 Bewerbungen vier nicht-universitäre Kliniken ausgewählt wurden. Insgesamt dauerte es über ein halbes Jahr, bis die Zusage kam. Neben dem Glauchauer Klinikum nahmen auch Teams aus Sindelfingen, Starnberg und Iserlohn teil.
Polymedikation gehört zum Klinikalltag
Rudolph stieß mitten im zweiten Bewerbungszyklus in das Rudolf Virchow Klinikum und wurde direkt in das Projekt involviert. „Für unser Haus war die Zusage sehr bedeutend“, erklärt sie. In dem kleinen Krankenhaus gilt es 450 Betten zu versorgen. Vor allem im Bereich der chirurgischen, psychiatrischen und geriatrischen Stationen komme es oft zu Polymedikationen in Kombination mit einer herabgesetzten Nierenfunktion. „Die Funktion der Nieren gerät im Alltag leider oft in Vergessenheit: Da wird schnell mal ein Ibuprofen oder Diclofenac angesetzt“, erklärt Rudolph. Genau hier greift das Apothekenteam ein.
„In der Theorie ist vieles bekannt – in der Praxis sieht es dann aber anders aus.“ Im Rahmen des Projektes wurden über zwei Jahre lang mehr als 900 Patient:innen eingeschlossen und mehr als 9000 Medikamente überprüft. „Durchschnittlich muss in unserem Haus jeder Patient 10,2 Medikamente einnehmen – das ist eine ganze Menge und es kommt schnell zu Wechselwirkungen.“ Mehr als 300 Medikationen waren bezogen auf die Niere problematisch.
In der öffentlichen Apotheke kann die Arzt-Apotheken-Kommunikation oft schwierig sein und auch im Klinikum habe es anfangs schonmal die ein oder andere Diskussion gegeben. Insgesamt seien die jüngeren Ärzt:innen offener für die Änderungsvorschläge durch die Pharmazeuti:innen gewesen. Der Großteil sei dann auch umgesetzt worden. „Wir sind schließlich bei der Oberarztvisite dabei und können uns so ein gutes Bild von den Patienten machen und entsprechende Vorschläge liefern.“
Pharmazeutischer Konsilbogen für die Station
Im Laborprogramm der Klinikapotheke wurde ein Tool eingerichtet, welches täglich die Nierenparameter der Patient:innen herausfiltert: So konnten alle Patient:innen mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von unter 60 und die dazugehörigen Medikationspläne von den Pharmazeut:innen genauer unter die Lupe genommen werden. Der Fokus lag im Rahmen des Projektes auf Wirkstoffen mit renaler Problematik.
Gemeinsam entwickelte das Team dann einen pharmazeutischen Konsilbogen: Welche Arzneimittel sind von der Problematik betroffen und welche Interaktionen gibt es? Dieser wird dann dem zuständigen Arzt/der zuständigen Ärztin übergeben, woraufhin die Änderung umgesetzt und schriftlich dokumentiert werden kann. Jeweils ein Durchschlag bleibt in der Patientenakte, der andere wird in der Klinikapotheke aufbewahrt. „Sehr gravierende Interaktionen haben wir natürlich direkt telefonisch geklärt.“
Zwei Jahre lang lief das Projekt neben dem regulären Klinikalltag – und der Corona-Pandemie. „Leider fiel es komplett in die Pandemie. Glücklicherweise konnte es aber trotzdem fortgeführt werden“, meint Rudolph. Gemeinsam mit den Teams der anderen Klinikapotheken wurde sich einmal im Monat online ausgetauscht. „Live gesehen haben wir uns erst eine Woche vor der Preisverleihung“, lacht die Apothekerin.
Wertschätzung durch Ärzteschaft ist groß
Durch die Teilnahme am Projekt sei die Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen, Pfleger:innen und Apotheker:innen im Haus deutlich enger und besser geworden. Der pharmazeutische Blick auf die Medikation sei sehr wertvoll und werde mittlerweile auch entsprechend geschätzt. „Viele kommen mittlerweile aktiv auf uns zu und bitten uns einen Blick über die Medikation zu werfen.“ Das Schönste sei dann, wenn man sehe, dass sich die Nierenwerte bessern und das eigene Handeln etwas bewirkt habe.
Apotheke entwickelt Spickzettel für Ärzt:innen
Deshalb wurden in Glauchau nun kleine „Spickzettel“ für die Kitteltasche entwickelt: Auf ihnen stehen die häufigsten Wirkstoffe, die in Bezug auf die Nierenfunktion angepasst werden müssen, sowie weitere hilfreiche Angaben für den Alltag. Die Karten wurden zusammen mit Internist:innen und Chirurg:innen erstellt und müssen aktiv in der Klinikapotheke angefordert werden. „So wollten wir die Aufmerksamkeit dafür erhöhen und vermeiden, dass sie einfach in den Kitteltaschen verstauben und nicht genutzt werden.“ Viele Ärzt:innen seien sehr dankbar für das kleine Helferlein – es werde bereits viel genutzt.
Nach Abschluss des Projektes wollten die vier Klinikapotheken jedoch nicht Halt machen – denn eine Zusatzbezeichnung dürfen die Teilnehmer:innen nicht tragen. „Wir haben uns dann für den Deutschen Preis für Patientensicherheit beworben“, erklärt Rudolph. Im Mai wurde dem Team der erste Preis verliehen. „Das war schon ein sehr besonderer Moment“, meint die Apothekerin. Künftig soll das Projekt im Rudolf Virchow Klinikum weitergeführt und auf weitere Bereiche ausgedehnt werden.