Lieferengpässe

Rekordverdächtig: 500 Medikamente auf Defektliste Hagen Schulz, 12.07.2019 12:00 Uhr

Berlin - 

Eigentlich ist die Hamburger Privilegierte Adler Apotheke bei ihren Kunden bekannt für ihr großes und stets gut gefülltes Lager. Doch die Lieferengpässe machen auch den Inhabern stark zu schaffen. Mittlerweile befinden sich fast 500 Medikamente auf der Defektliste. Als „so schlecht wie noch nie“ schätzt Apothekerin Sabine Gnekow die Situation ein. Das größte Ärgernis sei, dass mittlerweile auch Standardarzneien wie Ibuprofen ausgehen.

478 Medikamente stehen auf der Defektliste der Apotheke in Hamburg-Wandsbek. Stand heute zumindest, die Zahl ändere sich täglich, so die Apothekerin. Damit zählt der Hamburger Traditionsbetrieb, der seit vier Generationen von der Familie Gnekow/Schmidt geführt wird, zu den am stärksten von den Lieferengpässen betroffenen Apotheken. „Das macht den Alltag echt schwer“, sagt Gnekow, die zusammen mit Mann Holger und Tochter Heike versucht, das Beste aus der Situation zu machen.

Keinen Kunden ohne Lösung lassen, ist das Motto in der Adler Apotheke. Die Lösung heißt in den vergangenen Wochen und Monaten aber immer häufiger, Alternativen zu finden. „Natürlich entstehen dadurch viele Diskussionen mit unseren Kunden. Die müssen mittlerweile denken, dass wir sie veräppeln wollen“, so Gnekow.

Seit 34 Jahren ist sie Apothekerin: „Eine so schlechte Lieferfähigkeit habe ich in der Zeit noch nicht erlebt“. Verständnis für die Situation hat sie keines mehr. „Man sollte meinen, dass die logistischen Dinge mittlerweile funktionieren und wir uns auf das Eigentliche konzentrieren können, nämlich die Menschen pharmazeutisch zu versorgen“, klagt Gnekow. Stattdessen falle man weiter und weiter in der Zeit zurück.

Um die Lagerbestände einigermaßen füllen zu können, muss die Privilegierte Adler Apotheke alle fünf in Hamburg tätigen Großhändler anfragen. Selbst das reicht jedoch nicht aus: „Es fehlt nicht nur an Spezialmedikamenten. Selbst Standardarzneien wie Ibuprofen haben wir nicht mehr auf Lager.“ Oft bliebe nur, auf das „unsägliche“ Bestellportal Pharma Mall auszuweichen. Das gehe jedoch zu Lasten des eigenen Geschäfts, winkt Gnekow ab.

Die Apothekerin fordert ein Umdenken bei den Pharmaunternehmen und der Politik: „Der Rahmenvertrag gibt uns in dieser Situation den Rest. Wir haben aufgrund der vielen Defekte Probleme, den Preisanker nicht zu überschreiten.“ Umso wichtiger sei es, eine öffentliche Diskussion über das Lieferproblem anzustoßen. Sonst wisse sie nicht, wie es noch weitergehen soll, gibt sich Gnekow wenig optimistisch für die Zukunft.

Die Privilegierte Adler Apotheke ist fast rund um die Uhr abhängig von funktionierenden Lieferketten. Seit nunmehr zwölf Jahren macht sie mit ihren langen, an allen 365 Tagen im Jahr gültigen Öffnungszeiten von 8 bis 24 Uhr auf sich aufmerksam. Mit dieser Maßnahme will sich der Betrieb vor allem der Konkurrenz der Internet-Versandhändler erwehren, was den Gnekows durch die aktuellen Lieferengpässe deutlich erschwert wird. Die seit 1773 bestehende Traditionsapotheke im Hamburger Osten beschäftigt rund 80 Mitarbeiter.