Substitution

Reimporte: PZN schützt vor Retax APOTHEKE ADHOC, 30.01.2014 14:14 Uhr

Therapiefreiheit schützen: Auch bei Reimporten dürfen sich Apotheken laut Sozialgericht Koblenz nicht über das Aut-idem-Kreuz hinwegsetzen – zumindest wenn der Arzt auch noch die PZN angegeben hat. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Nicht nur bei Generika, sondern auch bei Reimporten kommt es in der Apotheke regelmäßig zu Diskussionen mit Kunden. Denn dass auf einer deutschen Verpackung kyrillische Buchstaben stehen, kann nicht jeder Patient nachvollziehen. Da selbst das Aut-idem-Kreuz nach bisheriger Auffassung in diesem Fall keine Gültigkeit hatte, blieb den Apothekern nichts anderes übrig, als ihre Reimportquote zu riskieren. Das könnte sich jetzt ändern.

Da Reimporte sich auf dieselbe Zulassung wie das Original beziehen, wird der Austausch bislang nicht als Substitution angesehen. Dem Arzt ist damit faktisch ein Stück seiner Therapiefreiheit genommen, denn das Aut-idem-Kreuz hat in der Apotheke keinerlei Relevanz.

Im Gegenteil: Seit die Kassen Rabattverträge mit den Originalanbietern schließen, laufen die Apotheker umgekehrt Gefahr, für die Abgabe eines namentlich verordneten und vom Austausch ausgeschlossenen Reimports retaxiert zu werden.

So geschehen im März 2012. Ein Arzt aus Rheinland-Pfalz verordnete Atacand plus von Kohlpharma und kreuzte aut idem an. Weil auch noch die Pharmazentralnummer (PZN) angegeben war, entschied sich der Apotheker gegen das Original, das die Software wegen bestehenden Rabattvertrags zum Austausch vorgeschlagen hatte. Die Kasse retaxierte 12,35 Euro – und erlaubte sich später den Hinweis, sie hätte ja auch auf Null retaxieren können.

Das Sozialgericht Koblenz gab dem Apotheker Recht: „Er hatte […] nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, der Versicherten das ärztlich verordnete Importarzneimittel auszuhändigen“, heißt es in den jetzt vorliegenden Urteilsgründen. Durch die Markierung des Aut-idem-Feldes habe der Arzt die Ersetzung ausgeschlossen: „Hieran hatte sich der Kläger zu halten. Etwas anderes ergibt sich […] weder aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften noch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.“

Welche Gründe der Arzt habe, könne der Apotheker letztlich nicht erkennen; dies sei aber auch nicht seine Aufgabe. Ein Austausch trotz Aut-idem-Kreuz würde aus Sicht der Richter die Therapiehoheit des Arztes verletzen. Diese sei aber als hohes Gut einzuschätzen, welches von der Krankenkasse – außer in Fällen offensichtlichen Missbrauchs – auch nicht in Zweifel gezogen werden dürfe.

Daher habe der Apotheker die Rabattvereinbarung mit dem Originalhersteller ignorieren dürfen und müssen. „Eine Verletzung des sogenannten Substitutionsgebots ist ihm hier nicht vorzuwerfen.“

Allerdings gehen die Richter fälschlicherweise davon aus, dass auch in den Verfahren zur Nullretaxation das Aut-idem-Kreuz gesetzt war. Verordne der Arzt ein Arzneimittel „ausschließlich unter Angabe des Produktnamens“, hindere das Aut-idem-Feld den Apotheker nicht daran, das rabattgünstigste Produkt dieser Art auszugeben, heißt es weiter.

Erst durch die Angabe von PZN und Hersteller werde das abzugebende Arzneimittel „in der größtmöglichen Weise konkretisiert mit der Folge, dass keinerlei Auswahlentscheidung mehr beim Apotheker verbleibt“, heißt es weiter. Dann sei „nicht ersichtlich, was ein Arzt noch tun könnte oder müsste, um eine von der Verordnung abweichende Entscheidung des Apothekers zu verhindern“.

Nun wird das Bundessozialgericht entscheiden müssen, ob für Reimporte die gleichen Regeln gelten wie für Generika beziehungsweise auf welche Art und Weise der Arzt den Austausch ausschließen kann. Sprungrevision wurde zugelassen.