Das Regierungspräsidium Stuttgart hatte zuletzt mit schlechter Presse zu kämpfen: Nachdem bei einer Revision das Ende der Schwarzwald-Apotheke in Stuttgart-Kaltental besiegelt wurde, rechnete deren Inhaberin in einem Aushang mit der Behörde ab – und wirbelte damit Staub auf. Nun hat sich das Regierungspräsidium selbst zu Wort gemeldet: Man sehe, dass die Apotheken vor Ort „wirtschaftlich oftmals nicht mehr die Rahmenbedingungen wie noch vor Jahren vorfinden“ und gleichzeitig die regulatorischen Anforderungen gestiegen seien.
Als „Totengräber“ hatte Inhaberin Anja Ossenkop das für ihre Apotheke zuständige Regierungspräsidium im Schaufenster ihrer Offizin bezeichnet. Denn ihre Betriebserlaubnis erlischt Ende Juni, nachdem der Pharmazierat festgestellt hatte, dass ihr Labor nicht mehr den aktuellen Anforderungen entspricht. Das räumt Ossenkop sogar ein, kritisiert aber mangelnde Kooperationsbereitschaft von Seiten der Behörde. Sie sei sicher, dass es eine Lösung gegeben hätte, „wenn man gemeinsam danach gesucht hätte“, sagte sie der Stuttgarter Zeitung. „Andere haben mit Augenmaß gehandelt und Tipps gegeben und geschaut, dass es besser wird.“
„Augenmaß“, darauf verweist nun auch das Regierungspräsidium in seiner Mitteilung: Bei seinen Kontrollen „übersieht das Regierungspräsidium nicht, dass die Apotheken vor Ort, die eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln rund um die Uhr sicherstellen, wirtschaftlich oftmals nicht mehr die Rahmenbedingungen wie noch vor Jahren vorfinden“. Auch dass „gleichzeitig die regulatorischen Anforderungen – insbesondere hinsichtlich der allgemeinen Hygiene bei der Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln – weiter gestiegen sind“, werde durchaus wahrgenommen. Und das Präsidium sehe bei Überwachung und Kontrolle sogar noch mehr, nämlich „die Notwendigkeit der Betriebe, wirtschaftlich auskömmlich arbeiten zu können“.
Bei Ossenkop klang das Anfang Mai noch anders. Sie sprach in ihrem Aushang, der mit einem Kreuz und roter Seide garniert war, von einer „überaus strengen persönliche Auslegung der Vorschriften zu den Anforderungen an eine Apotheke“. Die Abrechnung hatte ihre Wirkung nicht verfehlt: Nicht nur die Presse berichtete darüber, auch ihre Kunden liefen Sturm. Selbst Stuttgarts grüner Oberbürgermeister Fritz Kuhn erhielt Post von einem Kunden der Schwarzwald-Apotheke mit der Bitte, Wege zum Erhalt der Apotheke zu finden.
Eine andere Kundin wurde in einem Leserbrief an die Stuttgarter Zeitung weitaus deutlicher: Die Schließung sei ein „Schlag in die Magengrube“ für das Viertel. „Mag sein, dass die Apotheke nicht den modernen Standards entspricht, und doch waren die Bürger froh, dass die Apotheke weiter betrieben wurde, in der sie mit einer guten Beratung durch kompetentes Fachpersonal und im Krankheitsfall mit einer schnellen persönlichen Zustellung der erforderlichen Medikamente rechnen konnten“, so die Leserin. „Armes Deutschland, wir regulieren uns bald zu Tode.“
Mit den Reaktionen in Presse und Bevölkerung hat die Veröffentlichung der Mitteilung allerdings laut Regierungspräsidium nichts zu tun. „Anlass hierfür war kein konkreter Fall“, teilt eine Sprecherin auf die Nachfrage nach dem Grund der Veröffentlichung mit. Stattdessen sei es darum gegangen, „über die Arbeit im Bereich Arzneimittel- und Betäubungsmittelverkehr zu informieren und auf Kontrollaufgaben des Regierungspräsidiums aufmerksam zu machen“. „Außerdem war es uns ein Anliegen, die Wichtigkeit einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit sicheren Arzneimitteln zu betonen.“
Auch zum Thema Augenmaß äußert sich das Regierungspräsidium auf Anfrage erneut. Wie auch für andere Betriebe sei es für Apotheken „wichtig, wirtschaftlich stabil arbeiten zu können“. „Eine wirtschaftlich auskömmliche Betriebsführung ist für ein flächendeckendes Netz an Apotheken von Bedeutung“, so eine Sprecherin. „Dies haben wir bei unseren Inspektionen der Betriebe durchaus im Blick, wobei immer die gesetzlichen Bestimmungen vollumfänglich eingehalten sein müssen.“ Jene Bestimmungen seien in Ossenkops Apotheke verletzt worden, begründete das Regierungspräsidium seine Entscheidung im konkreten Fall. Die Inhaberin wiederum hat nach eigenen Angaben keine Kenntnis von der Mitteilung und will sie nicht kommentieren.
Tatsächlich lässt sich die Behörde in ihrer Mitteilung, wie von der Sprecherin angegeben, größtenteils über ihre Aufgaben und Arbeitsweise aus. Sogar der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Bündnis 90/ Die Grünen) kommt zu Wort und erklärt, dass das Bundesland die Arzneimittelüberwachung in diesem und letztem Jahr um insgesamt 22 Stellen in den Regierungspräsidien aufgestockt habe. „So schaffen wir die Rahmenbedingungen, damit die Arzneimittelüberwachung in Baden-Württemberg auch in Zukunft trotz deutliche gestiegener Anforderungen ordnungsgemäß durchgeführt werden kann“, so Lucha. In Stuttgart seien für diesen Bereich elf Mitarbeiter für etwa 850 öffentliche Apotheken und Krankenhausapotheken sowie 66 Arzneimittel-Großhändler zuständig.
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