Viele Apotheken haben nicht wegen der niedrigen Vergütung Vorbehalte, sich bei der Durchführung kostenloser „Bürgertests“ auf Sars-CoV-2 zu engagieren. Ein weiterer Hauptgrund ist vielerorts die anhaltende Unklarheit bezüglich der Vorgaben, unter denen das geschehen darf. Eine zentrale Frage, die weiter ungeklärt ist: Muss ich Coronatests zwangsläufig innerhalb der Apotheke durchführen oder darf ich – wie vielerorts gefordert – auch externe Räumlichkeiten anwenden?
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat einmal mehr erst verkündet, dann geplant: Apotheken sollen sich beim Angebot kostenloser Corona-Schnelltests einbringen – ob sie das nur in ihren eigenen Betriebsräumlichkeiten dürfen oder bei mangelndem Platz auch auf externe Räume ausweichen dürfen, ist dabei vielerorts noch nicht einmal abschließend geklärt. Baden-Württemberg hat in der Frage bereits Fakten geschaffen: Schon seit September betreibt Dr. Björn-Schittenhelm dort ein Testzentrum – und zwar in einem Gewerbegebiet, abseits seiner eigenen Apotheke. Allein in seinem Landkreis gibt es mittlwerile fünf solcher Testzentren, die von Apotheken betrieben werden, aber nicht in deren Räumlichkeiten liegen.
In Nordrhein-Westfalen wiederum hatte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) vergangenen Freitag angekündigt, dass das zwischen Rhein und Ruhr ebenfalls möglich sein wird: „Wir werden sicherstellen, dass unsere Apotheken das auch außerhalb der Apotheke machen dürfen, weil sich die meisten Apotheken baulich nicht für Massentestungen eignen“, so Laumann. Die dazugehöriger Allgemeinverfügung wurde am Montag veröffentlicht.
Gänzlich andere Informationen erhielten hingegen die Kolleg:innen in Niedersachsen. In einem aktuellen Rundschreiben informierte der dortige Landesapothekerverband über die Voraussetzungen für die Beauftragungen durch die Behörden. Neben dem Hinweis, dass Rücksprache mit der Haftpflichtversicherung gehalten und die Durchführung der Schnelltests der Aufsichtsbehörde mitgeteilt werden sollte, macht der LAV eine klare Ansage zur Raumfrage: „Die Testungen dürfen nur in Räumlichkeiten stattfinden, die von Ihrer Betriebserlaubnis umfasst sind.“ Niedersachsen hat damit ebenfalls bereits Fakten geschaffen – denn in anderen Bundesländern ist die Situation noch diffuser. Klarheit herrscht dort zum Teil noch nicht einmal landesweit.
So ist es beispielsweise in Bayern: „Es gibt bisher keine bayernweit einheitliche Auslegung der diesbezüglichen Regelung“, erklärt die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) auf Anfrage. „Deshalb können wir nicht pauschal sagen, dass es geht oder nicht geht, sondern weisen wegen der unklaren Gemengelage unsere Mitglieder darauf hin, das vor Ort mit den zuständigen Kreisverwaltungsbehörden und Gesundheitsämtern sowie den zuständigen Pharmazieräten abzustimmen.“ Die Auslegung unterscheide sich je nachdem, in welchem der sieben Regierungsbezirke in Bayern ein Betrieb ansässig ist. Die Regierung von Oberfranken habe sich bereits vor einigen Wochen relativ klar positioniert, dass sie die Regelung strikt auslegt und Schnelltests nur in den Betriebsräumen der Apotheke zulassen wolle. In den anderen Bezirken könne die Beurteilung aber anders ausfallen.
Dabei wird auch in Bayern schon seit Wochen von Apotheken getestet, beispielsweise in denen von Inhaberin Margit Schlenk. Sie zeigt sich entrüstet über das Regel-Wirrwarr: „Es ist Pandemie und Deutschland erstickt an der Bürokratie.“ Sie sei der Meinung, dass es eindeutig keinen Vorbehalt der Apothekenräumlichkeiten beim Testen gibt – das ergebe sich aus den bisherigen gesetzlichen Regelungen. Es gebe keinen Paragraphen, aus dem dieser Vorbehalt hervorgeht. „Präventionsleistungen, Screenings und Leistungen in Zusammenhang mit Medizinprodukten können grundlegend auch außerhalb der Apothekenräume stattfinden“, so Schlenk, die in den zurückliegenden Monaten bereits tausende Apotheker in der Durchführung der Tests geschult hat. „Ich gehe doch auch zum Patienten und messe dort Kompressionsstrümpfe an oder stehe für den BAV vor der Kirche und messe bei tausend Menschen den Blutzucker“, sagt sie. „Also kann ich auch außerhalb der Apotheke einen Abstrich machen. Man muss mal in andere Lebenswelten der Apotheken schauen, die Apotheken gehen bereits zu den Menschen. Wir wollen helfen, Menschenleben zu retten und nicht irgendwelche nicht-existenten Paragraphen bedienen.“
In Berlin wiederum wartet die Kammer noch auf eine klare Ansage aus dem BMG, bevor sie sich in der Frage klar positioniert. Sie sei gemeinsam mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) der Auffassung, dass es sich bei der Durchführung von Corona-Tests um eine apothekenübliche Dienstleistung handelt, die ohne Anzeige oder Genehmigung prinzipiell in den Betriebsräumen der Apotheke erfolgen kann. Allerdings sei zu beachten, in welchen Räumlichkeiten die Tests stattfinden würden und ob die Nutzung dieser Räumlichkeiten möglicherweise eine Umwidmung im Rahmen der Apothekenbetriebserlaubnis darstellt.
„Hier warten sowohl wir als auch das Lageso noch auf eine Abstimmung der Länder zu dieser Frage“, so die Berliner Kammer. „Noch nicht geklärt ist auch die Frage, ob Schnelltests im Rahmen des Apothekenbetriebs auch außerhalb der Apothekenbetriebsräume durchgeführt werden dürfen.“ Das BMG habe zwar den entsprechenden politischen Willen bekundet und auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen. Allerdings: „Politischer Wille und geltender Rechtsrahmen passen derzeit noch nicht zusammen, denn streng genommen bedürfte es auch hierzu einer Änderung der Betriebserlaubnis, sodass die Länder prüfen, ob und wenn ja auf welcher Rechtsgrundlage Schnelltests außerhalb der Apothekenbetriebsräume möglich wären, zum Beispiel ‚im Zelt‘ oder in externen Räumen, zum Beispiel der ‚leerstehende Kneipe um die Ecke‘“.
Und die Abda? Die erwartet eine Klarstellung vom Bund. In ihrer Stellungnahme zur Corona-Testverordnung führt sie aus, dass sie grundsätzlich davon ausgehe, dass nach den Regelungen des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebsordnung die Leistungserbringung durch Apotheken überwiegend an deren Räumlichkeiten gebunden sei. „Im Einzelfall“ sei es allerdings notwendig, auf externe Räumlichkeiten auszuweichen.
„Die Zulässigkeit der Vornahme der Tests in diesen externen Räumlichkeiten wird von den zuständigen Aufsichtsbehörden der Bundesländer unterschiedlich gehandhabt. Um Rechtssicherheit zu schaffen, erachten wir es als sachgerecht, eine klarstellende Regelung auf Bundesebene zu schaffen“, so die Stellungnahme. Mittel der Wahl wäre demnach laut Abda, dass das BMG auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes für die Dauer der Pandemie „eine Ausnahme von den Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung in Bezug auf die Bindung an die Betriebsräume erlässt“.
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