Krisentreffen zur Rezeptkontrolle Alexander Müller, 03.03.2016 10:20 Uhr
Die Krankenkassen haben ein neues Retaxfeld gefunden: Im Visier sind Korrekturen, die einige Rechenzentren im Rahmen der Rezeptprüfung bei der Abrechnung vornehmen. Die ABDA ist alarmiert. Schon zweimal hat die Vertragsabteilung die Rechenzentren darauf hingewiesen, dass keine Änderungen an den Datensätzen vorgenommen werden dürfen. Am kommenden Mittwoch sind die Vertreter der Rechenzentren in Berlin, dann soll auch über dieses Thema gesprochen werden.
Im alltäglichen Stress am HV-Tisch kommt es zwangsläufig immer mal vor, dass ein kleiner Formfehler auf dem Rezept übersehen wird. Da die Kassen tendenziell immer strenger bei der Prüfung der Verordnungen sind, können solche formellen Fehler schnell teuer werden – die Angst vor der Nullretaxation gehört für viele Apotheker zum Alltag. Ein junger Inhaber berichtet, dass er abends oft minutenlang und mit Schweißperlen auf der Stirn auf Rezepte über Hochpreiser starrt, um ja keinen Fehler zu übersehen.
Zum Glück gibt es noch die Rechenzentren als zusätzliche Kontrollinstanz. Fällt hier ein Fehler auf, kann das Rezept an die Apotheke zurückgeschickt werden. Das ist allerdings aufwändig und kann für die Apotheke zu dem Nachteil führen, dass das Rezept nicht mehr im laufenden Monat in die Abrechnung geht. Damit kommt auch das Geld einen Monat später – mit Konsequenzen für die Liquidität der Apotheke.
Die Rechenzentren haben daher Methoden entwickelt, um die Rezeptkorrektur zu vereinfachen: Das NARZ bietet Kunden etwa einen Service namens Apokorrektur. Offensiv wirbt das norddeutsche Rechenzentrum damit, dass die Images auch nach Einreichung noch geändert werden können. „Sie haben die Möglichkeit, die folgenden Felder zu korrigieren: PZN, Faktor, Einzeltaxe, Zuzahlung, Gesamtbrutto, Abgabedatum.“ Da jede Änderung nur im Auftrag der Apotheke geschieht und gegenüber den Krankenkassen transparent kommuniziert wird, sieht man beim NARZ kein Problem in dem Service.
Die Krankenkassen sehen das anders: Der GKV-Spitzenverband hat die ABDA auf Fälle hingewiesen, bei denen der Datensatz des Rechenzentrums nicht mit dem Rezeptimage beziehungsweise dem Original übereinstimmen. Einmal ging es um offenbar nachträglich gesetzte Sonder-PZN, im zweiten Schreiben um geänderte Abrechnungspreise. Die ABDA hat die Rechenzentren im Juni angeschrieben und jetzt im Februar mit recht deutlichen Worten darauf hingewiesen, dass Datensatz und Image zwingend übereinstimmen müssen.
Das Thema brennt den Verantwortlichen unter den Nägeln. In der kommenden Woche soll die Problematik in Berlin mit Vertretern der Rechenzentren besprochen werden. Beim Deutschen Apothekerverband (DAV) gibt es für solche Angelegenheiten ein Gremium namens „Kommission Abrechnung und Datenübermittlung“. Top 6 des Treffens am 9. März lautet: „Korrekturen an Rezepten.“
Das Problem ist auch deshalb akut, weil der GKV-Spitzenverband gegenüber dem DAV angekündigt hat, dass Kassen nachträglich korrigierte Rezepte auf Null retaxieren könnten. Das Ausmaß einer solchen Retaxwelle ist nicht absehbar, Zahlen liegen hierzu bislang nicht vor. Für die Rechenzentren könnte es zumindest ungemütlich werden, wenn ihre Kunden wegen eines Services retaxiert werden. Im schlimmsten Fall könnten Apotheker sogar versuchen, Schadensersatzansprüche gegen ihren Dienstleister geltend machen, weil sie auf die Rechtmäßigkeit der angebotenen Leistung vertraut hatten.
Das ARZ Darmstadt hat offenbar schon Konsequenzen aus den Brandbriefen der ABDA gezogen, zumindest nach außen: Der Service „Tax/Rezeptkorrektur“ wird neuerdings deutlich zurückhaltender beschrieben. Hierzu heißt es schlicht: „Wir informieren Sie schon wenige Tage nach der Abholung über Rezepte.“ Zuvor ging der Text folgendermaßen weiter: „[…] die uns als falsch taxiert, fehlerhaft oder unvollständig aufgefallen sind. Diese können Sie einfach im Internet korrigieren.“
Andere Rechenzentren haben sich auf eine Online-Hilfe vor der eigentlichen Abrechnung verlegt. Der private Anbieter AvP etwa bietet seit Herbst das Modul „ScanAdhoc“. Die Rezepte werden in der Apotheke gescannt und an AVP übermittelt. Fallen Fehler auf, wird die Apotheke informiert und kann noch vor Einreichung der Rezepte selbst Korrekturen am Original vornehmen. Das erspart ein umständliches und in der Masse teures Zurückschicken der Rezepte an die Apotheke, wie es bisher der Fall war.
Nach Angaben von AvP wurde das Modul seit dem Rollout bei der Expopharm Ende September schon 780-mal verkauft. Die Kosten von 29 Euro monatlich erscheinen vielen Kunden offenbar als gut angelegtes Geld, wenn sie damit Retaxationen vermeiden können. In der Vergangenheit hat AvP Monat für Monat knapp 1000 Rezepte an Apotheken zurückgebracht.
Die Rechenzentren bewahren die Apotheker bei der Vorprüfung nicht nur vor Retaxationen: Manchmal hat die Apotheke auch zu ihren Ungunsten einen Fehler gemacht – etwa einen zu niedrigen Preis aufgedruckt. In diesen Fällen können sich die Apotheker nicht auf die Prüfstellen der Kassen verlassen: Retaxationen, bei denen die Kasse nachzahlt, sind aus der Praxis nicht bekannt.
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