Video zeigt Eskalation bei Bürgertest

Kunde postet Rassismus-Vorwurf: Apotheke erhält Drohungen

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Berlin -

Die Berliner Bären-Apotheke in Wittenau steht derzeit im Kreuzfeuer: Ihr wird ein rassistischer Zwischenfall vorgeworfen, bei dem ein angestellter Apotheker einem Kunden verweigert haben soll, ihn zu testen – weil er schwarz ist. Das sagt der Kunde, der Berliner Rapper Bradodo Charo. Die Apotheke weist die Vorwürfe vehement zurück und betont, es habe sich lediglich um ein Missverständnis wegen seines französischen Passes gehandelt. Keinesfalls habe man sich rassistisch geäußert. Immerhin konnten beide Seiten sich mittlerweile annähern.

Aus Charos Sicht waren der Vorfall und die Äußerungen des Apothekers eindeutig: Er sei in die Apotheke gekommen, um sich testen zu lassen, und bereits zu Beginn sehr unfreundlich empfangen worden. „Als ich rangenommen wurde, wünschte ich dem Mann am Schalter ‚Frohes Neues‘ und bekam nur ein ‚Lass mich meine Arbeit machen‘ zurück“, schildert er die Situation. Als er ihm sagte, dass er sich testen lassen will, habe der Apotheker am HV ihn erst nach der Krankenversicherungskarte gefragt, die er nicht bei sich hatte. Daraufhin wurde er nach dem Ausweis gefragt, den er vorzeigte. Charo ist französischer Staatsbürger, aber in Berlin aufgewachsen und wohnhaft. Seine deutsche Meldeadresse steht im französischen Pass. Das Dokument berechtigt ihn, einen kostenlosen Bürgertest in Anspruch zu nehmen.

Doch das habe der Apotheker gar nicht weiter betrachtet. „Er guckte sich meinen Pass nicht länger als zwei Sekunden an und sagte mir, dass er keine Schwarzen, vor allem nicht ohne die deutsche Staatsangehörigkeit, testen würde“, behauptet Charo. „Das war der Zeitpunkt, an dem ich anfing zu filmen, weil ich einfach schockiert über so eine Aussage war.“ Was daraufhin passiert, ist auf Video festgehalten: Der Apotheker versucht, Charo das Telefon aus der Hand zu wischen, es kommt zu einem kleinen Gerangel, allerdings ohne weitere Handgreiflichkeiten. „Ich danke Gott, dass ich in dem Moment nicht zurückgeschlagen habe“, sagt Charo.

Nach Darstellung der Apotheke lief die Situation ganz anders ab: Der Apotheker habe lediglich mehrfach betont, dass er eine deutsche Meldeadresse benötige. Dass diese im französischen Pass angegeben war, habe er schlicht nicht gewusst. Er bestreitet vehement, die ihm vorgeworfene Aussage getätigt zu haben. Nach seiner Darstellung hat Charo von sich aus behauptet: „Sie testen mich nur nicht, weil ich schwarz bin.“ Der Apotheker habe dem deutlich widersprochen, als der Kunde aber immer lauter geworden sei, diesen aufgefordert, die Apotheke zu verlassen.

Etwa an dieser Stelle muss das Handyvideo einsetzen, das Charo geteilt hat. Seine Reaktion ist im Video zu hören: „2022 und Sie wollen mich nicht testen, weil ich schwarz bin?“, fragt er und wiederholt gegenüber einer anderen Person: „Er will mich nicht testen, weil ich schwarz bin“, worauf der Apotheker mehrfach erwidert: „Nein, das stimmt nicht.“ Er fordert Charo auf, die Apotheke zu verlassen und droht damit, die Polizei zu rufen. Besonders habe ihn getroffen, dass niemand eingegriffen habe, sagt wiederum Charo: „Jeder in der Apotheke beobachtete das Geschehen und keiner sagte was dazu.“ Nur ein älterer Mann, der während des Vorfalls am anderen Ende der Offizin stand, sah danach auf ihn zugekommen und habe zu ihm gesagt, dass er im Unrecht sei.

Der Umgang mit ihm sei ausschlaggebend gewesen, dass er das Video danach auf Instagram gestellt hat. „Mir ging es nicht darum, die Apotheke bloßzustellen, sondern meinen Followern zu zeigen, dass es auch 2022 noch versteckten Rassismus gibt“, sagt er. „Ich wollte meine Erfahrung zeigen, weil ich so etwas als dunkelhäutiger Mensch ständig erlebe. An sich könnte ich jede Woche einen Rassismus-Fall zeigen. Dieser hat mich aber besonders aufgeregt, weil es in Zusammenhang mit Corona war. Ich wollte keine Randale machen, sondern mich testen lassen.“ Dabei habe ihn der vermeintliche Satz, er teste keine Schwarzen, nicht mal am meisten aufgeregt. „Solche Sachen höre ich ständig. Noch wütender machte mich, dass er sagte, er teste nur deutsche Staatsbürger. Er hätte ja auch sagen können, nicht-deutsche Staatsbürger müssen einen kostenpflichtigen Antigentest machen.“ Tatsächlich kam Charo später am selben Tag noch einmal in die Apotheke, um sich testen zu lassen. Diesmal verlief alles ruhig.

Dass die Apotheke seit Veröffentlichung des Videos einen Shitstorm erlebt, nach eigenen Angaben sogar bedroht wurde, habe er selbst nicht erwartet. „Ich hätte niemals gedacht, dass das so viral geht, und wollte die Sache auch gar nicht so groß machen.“ Mittlerweile haben an die 200.000 Menschen das Video gesehen, auch wegen Multiplikatoren wie der Rapperin Nura, die das Video kommentierte und unter ihren 385.000 Followern bekannt machte – entsprechend viele Reaktionen erhielt das Video. Auf Twitter wiederum verbreitete der SPD-Politiker Orkan Özdemir hat das Video und verhalf ihm zu noch mehr Aufmerksamkeit.

Seitdem erlebt die Apotheke nicht nur auf Instagram und bei Twitter einen Shitstorm, sondern erhält auch massenhaft Hassmails. Eine Mitarbeiterin berichtet, dass sie am Telefon bedroht worden sei. Der Protest führe zu grotesken Situationen, die unfreiwillig komisch wären, wenn die Angelegenheit nicht so ernst wäre: „Meine 2015 aus Afghanistan geflohene PKA wird am Telefon als Hitlerjunge beschimpft“, berichtet Inhaber Jörn Janssen, der bei dem Vorfall selbst nicht zugegen war. Auf die Mail eines „Cameron“ hat Janssen selbst geantwortet, da sich dieser als Freund von Charo ausgegeben hatte. Janssen wollte das direkte Gespräch suchen und erbat einen Rückruf. Doch Cameron habe sich nicht wieder gemeldet. Dafür rief Charo selbst gestern in der Apotheke an.

„Der Chef der Apotheke tut mir wirklich leid, wenn er da jetzt mit solchen Reaktionen konfrontiert ist. Mir ging es ausschließlich um den Apotheker, denn so etwas dulde ich nicht. Ich bin kein Unmensch und will nicht, dass die Apotheke schließt oder so. Ich will einfach nur eine Entschuldigung“, sagt er. Am Mittwoch führten Charo und der Inhaber der Apotheke nach übereinstimmender Darstellung ein längeres Telefonat, bei dem Charo anbot, das Video vom Netz zu nehmen, wenn er eine Entschuldigung der Apotheke erhält. „Wir haben gemeinsam einen Weg gesucht, damit umzugehen“, sagt Janssen. Der Rapper habe zugesagt, er werde auch die Community bitten, ihre schlechten Bewertungen der Apotheke im Netz zu löschen. Der betroffene Apotheker würde Charo bitten, noch einmal in die Apotheke zu kommen und die Sache zu besprechen. Inhaber Janssen hat zwar wegen des Posts den Rat eines Medienrechtlers eingeholt, will aber selbst keine juristischen Schritte unternehmen.

Er glaubt nicht, dass er damit den Shitstorm im Netz aufhalten kann. Dass der Vorfall trotz einer möglichen Klärung mit Charo negative Auswirkungen auf die Apotheke haben wird, davon ist Janssen überzeugt. Allein der Absturz bei den Google-Bewertungen stelle einen unternehmerischen Schaden da, da potenzielle Bewerber:innen sich davon abschrecken lassen könnten. Auch Charo sagt, es wäre ihm natürlich lieber, der Vorfall hätte sich gar nicht erst ereignet, zeigt sich aber gegenüber der Apotheke versöhnlich. „Das ist besser als nichts und zeigt, dass es auch Wege gibt, so etwas vernünftig zu klären und nicht immer gleich mit Polizei und Anwalt zu kommen.“

Immerhin in einem Sinne ist die Geschichte gut ausgegangen: Charo erhielt seinen Test später noch – in derselben Apotheke. „Es sollte schnell gehen, deshalb habe ich meine deutsche Meldebescheinigung und sogar meine Geburtsurkunde mitgebracht und mich dann testen lassen.“

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