In immer mehr Städten streiten sich Inhaber und Anwohner über den Namen von Mohren-Apotheken. Auch die Mohren-Apotheke in Wolfsburg steht derzeit im Kreuzfeuer: Ein Vorstandsmitglied der örtlichen Flüchtlingshilfe hat eine Protestaktion vor der Offizin organisiert, eine Wolfsburger Studentin will eine Petition für die Umbenennung starten. Inhaberin Petra Grünwald will aber nicht nachgeben und verteidigt den Namen ihres Betriebes und begründet das explizit nicht mit den Schwierigkeiten einer Namensänderung. Ihr geht es ums Prinzip.
Inhaber von Mohren-Apotheken müssen sich derzeit verstärkt für den Namen ihres Betriebes rechtfertigen und gehen dabei unterschiedliche Wege: Manche, wie Teresa Marosi in Wien oder Jens Rath in Kiel, lassen sich von den Kritikern überzeugen, andere, wie Christina Hartmann aus Kassel, straucheln noch. Hartmann zeigt Verständnis für die Kritik, zögert aber und begründet das vor allem mit dem organisatorischen Aufwand einer Umbenennung und dem betriebswirtschaftlichem Risiko, die ein Markenwechsel mit sich bringt.
Für Petra Grünwald hingegen ist der Fall klar. „Meist werden da Geld und Aufwand in den Vordergrund gestellt, das ist bei mir aber nicht der ausschlaggebende Punkt“, sagt sie. „Mir geht es nicht um das Prinzip, stur zu sein und nicht darüber zu diskutieren, aber darum, dass wir in einer freien Gesellschaft leben und man eben auch andere Meinungen akzeptieren muss.“ Denn ihre Auffassung vom Begriff Mohr unterscheidet sich grundlegend von der ihrer Kritiker: Das Wort sei keineswegs diskriminierend, sondern anerkennend, sagt sie. Es spiegele die Wertschätzung für das pharmazeutische und medizinische Wissen afrikanischer und orientalischer Gelehrter, die wesentlich dabei halfen, diese Erkenntnisse nach Europa zu bringen, und zwar „im Mittelalter, als wir hier noch in Holzpantoffeln rumgelaufen sind“, wie sie es ausdrückt.
Kritiker halten dem entgegen, dass der Begriff umgekehrt aber nicht ohne seinen historischen Kontext – konkret Kolonialismus und Rassismus – betrachtet werden kann. Vor allem aufgrund dieser Erfahrungen empfinden ihn demnach sehr viele Menschen dunkler Hautfarbe als diskriminierend und verletzend. Eine dieser Kritikerinnen ist Simona Faulhaber aus dem Vorstand der Flüchtlingshilfe Wolfsburg. „Ich möchte, dass mein Sohn und meine Enkelkinder in einem rassismusfreien Land aufwachsen“, zitiert sie die Wolfsburger Allgemeine Zeitung (WAZ). Deshalb hat sich Faulhaber zum Ziel gesetzt, eine Umbenennung der Mohren-Apotheke zu erreichen.
Zuerst hatte sie dazu das Gespräch mit Grünwald gesucht. Ende Juni kam sie in die Offizin. „Ich hatte gehofft, sie würde einlenken“, so Faulhaber zur WAZ. Doch daraus wurde nichts, Grünwald ließ sich nicht überzeugen. „Ich habe ihr erklärt, dass es keine Diskriminierung ist, sondern eine Wertschätzung“, gibt sie das Gespräch wieder. „Aber sie wollte meine Meinung nicht akzeptieren. Sie verließ dann wütend die Apotheke und sagte, sie geht damit an die Presse.“ Und tatsächlich standen von der WAZ bis zum Fernsehsender Sat.1 bald mehrere Medien bei Grünwald auf der Matte. Die Studentin Noemi Zenk-Agiye kündigte im TV-Beitrag an, eine Online-Petition für die Umbenennung starten zu wollen.
Und auch Faulhaber machte sich erneut bemerkbar: Eine Woche nach dem gescheiterten Gesprächsversuch stattete sie der Apotheke gemeinsam mit drei Unterstützern einen Besuch ab. Zu viert demonstrierten sie vor der Offizin. Viel erreicht haben sie nach Angaben Grünwalds dabei nicht, das Apothekenteam sei aber auch nicht gegen die Demo vorgegangen. Ohne Auswirkungen bleibt Faulhabers Aktivismus trotzdem nicht. „Nachdem sie an die Presse gegangen ist, haben wir massenhaft Anrufe und Zuschriften von Kunden erhalten, die meisten wollten uns aber bestärken, den Namen beizubehalten“, sagt Grünwald. Für sie habe die Aktion damit auch etwas Gutes: „Meist ist es ja so, dass sich nur diejenigen zu Wort melden, die sich an etwas stören. Dadurch haben sich nun aber viele mit Solidaritätsbekundungen an uns gewandt.“
Grünwald wurde dadurch in ihrer Auffassung eher noch bestärkt. Bereits zuvor hatte sie sich vergewissert, dass sie zumindest juristisch nichts zu befürchten hat. „Ich habe mich extra an die Kammer gewandt und nachgefragt, ob der Name so wirklich zulässig ist“, sagt sie. Dort sei ihr nochmal versichert worden, dass es sich bei dem Begriff im juristischen Sinne weder um eine Beleidigung noch um Volksverhetzung handele. Für Grünwald ist die Sachlage damit klar: „So lange ich nicht von gerichtlicher Seite dazu verpflichtet werde, weiß ich nicht, wo denn diese Notwendigkeit sein soll, meine Apotheke umzubenennen“, so die Inhaberin. „Wir haben eine freie Apothekenwahl – wenn sich jemand an dem Namen stört, kann er oder sie in eine andere Apotheke gehen.“
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