Jens Rath hatte sich eigentlich schon entschieden: Er will, dass sein Betrieb nicht mehr Mohren-Apotheke heißt und befindet sich derzeit mitten in der Umbenennungsphase. Nur eine Woche, bevor es soweit gewesen wäre, wurde ihm die Arbeit abgenommen: Unbekannte haben am Wochenende die Kieler Mohren-Apotheke verunstaltet oder verschönert – je nach Perspektive. Zwei aufgesprühte Umlautpunkte machen sie zur Möhren-Apotheke. Rath nimmt es mit Humor. In einer Woche ist der Name sowieso weg.
Die aktuelle Rassismusdebatte und das Osterfest haben auf den ersten Blick wahrlich nichts gemeinsam. Bei Jens Rath laufen sie zusammen. „Das ist vor Jahren schon einmal passiert“, sagt der Kieler Inhaber über die Vandalismusaktion gegen seine Apotheke. „Damals war es aber zu Ostern.“ Diesmal ist der Anlass allerdings weitaus ernster, denn seit die Black-Lives-Matter-Demonstrationen die USA in Atem halten, wird auch hier wieder verstärkt über Rassismus bei der Polizei und im öffentlichen Raum diskutiert. Vor allem Apotheken und andere Einrichtungen mit dem Namensbestandteil Mohr sind seitdem der Kritik ausgesetzt. Nach der Wiener Inhaberin Teresa Marosi war der zweite Apothekeninhaber im deutschsprachigen Raum, der sich der Kritik annahm und eine Umbenennung seines Betriebes ankündigte.
Ausgerechnet ihm wollten die Unbekannten nun nachhelfen. „Das waren wohl ein paar Scherzkekse, denen es mit der Umbenennung nicht schnell genug geht“, vermutet er. „Ich nehme es schon mit Humor, aber es ist schade, dass das jetzt noch sein muss.“ Die Polizei habe er pro forma informiert, schließlich handele es sich um Sachbeschädigung. „Aber ich sehe kaum Chancen, dass da etwas kommt.“
Andererseits: Großen Aufwand, die Punkte zu beseitigen, wolle er sich auch nicht mehr machen. Denn mit Monatsende ist Schluss für den Namen Mohren-Apotheke. Ab dem 1. August heißt die Offizin Raths-Apotheke am Brauereiviertel. Zwar habe ein Museum angefragt, ob es die Namenstafel haben kann – und die müssten dann zusehen, wie sie die Punkte wegkriegen – ihm selbst aber bedeute das Schild nicht viel. „Ich würde das ohnehin nicht aufbewahren“, sagt er.
Rath will Geschichte künftig Geschichte sein lassen und arbeitet derzeit an der Umbenennung. Ist das wirklich so aufwendig und riskant, wie andere Mohren-Apotheken-Inhaber schildern? „Das kann ich noch nicht sagen. Kunden und Geschäftspartnern muss ich die Namensänderung ja noch kommunizieren. Das geht jetzt erst los und der größte Teil der Arbeit“, erklärt er. „Der Rest ist lächerlich. Die rein formalen Geschichten halten sich in Grenzen.“ Der Eintrag im Handelsregister sei schon seit Mitte Juli geändert. „Das ging ganz schnell, innerhalb eines Tages war es geändert.“ Auch der Notartermin habe nur eine Minute gedauert, die Umschreibung der Betriebserlaubnis allerdings etwas länger – aber hauptsächlich wegen der Ferienzeit und der Covid-19-Pandemie, nicht weil es kompliziert wäre. „Das konnte ich mit ein paar E-Mails erledigen.“ Und bereits die formale Umbenennung habe ihm etwas Arbeit abgenommen. „Das Rechenzentrum hat sich von allein bei mir gemeldet, weil es über die Veränderung im Handelsregister informiert wurde.“
Nicht mit ein paar E-Mails erledigt sind hingegen Leuchtreklame und Werbematerialien. „Außenwerbung, Außendarstellung und die Logos sind schon fertig, doch die Leuchtreklame dauert noch ein bisschen. Das ist auch finanziell der größte Posten“, sagt Rath. „Da kann man viel Geld ausgeben, wenn man denn will.“ Im Wesentlichen sei es nicht anders als bei einer Übernahme – allerdings: „Ich habe den Vorteil, dass ich durch meine anderen Apotheken bereits eine Dachmarke habe, der ich die Apotheke anschließen kann. Wenn ich alles samt Logo neu entwickeln müsste, wäre das schon mehr Aufwand.“ Mit der großen Verkündung des neuen Namens wolle er sich noch ein wenig Zeit lassen, schließlich ist gerade Hauptferienzeit. „Das wird wohl eher in Richtung Herbst, aber wir werden natürlich versuchen, auf der guten PR-Welle zu schwimmen.“
Eine solche Welle zu erzeugen, versucht auch Ruth Hunstock. Von Raths Entscheidung inspiriert, hat sie sich zum Ziel gesetzt, eine Umbenennung der Mohren-Apotheke von Inhaberin Christina Hartmann in Kassel zu erreichen. Die zeigte sich bisher renitent, eine Petition und die Berichterstattung über den Fall brachte aber Bewegung. Vergangenes Wochenende führten Hunstock und Hartmann das erste Mal ein direktes Gespräch miteinander – so wie zuvor Inhaberin Marosi in Wien mit SPÖ-Stadtpolitikerin Mareille Ngosso. Ob das Gespräch für Hunstock genauso erfolgreich verlief wie für Ngosso, darüber schweigen sich beide Frauen aus. Sie wolle das Thema nicht weiter in die Öffentlichkeit tragen, sagt Hartmann. Nur so viel: „Es war ein freundliches und konstruktives Gespräch.“
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