Rahmenvertrag

Retax-Streit: Apotheker rufen Hess zu Hilfe

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Berlin -

Vor drei Monaten schien das leidige Retax-Problem mit dem unter Führung der Schiedsstelle erzielten Kompromiss zumindest in Teilen gelöst. Kurz darauf brach jedoch ein neuer Streit über den Stichtag des Inkrafttretens aus. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) sieht davon alle noch nicht abgeschlossenen Fälle erfasst, einige Kassen sehen das anders und wollen erst ab Juni auf die neuen Retaxregeln einschwenken. Jetzt hat der DAV erneut die Schiedsstelle angerufen und will den Sachverhalt klären lassen.

Inzwischen liegt dazu nach Informationen von APOTHEKE ADHOC ein Beschluss des DAV zur Anrufung der Schiedsstelle vor. Ein ABDA-Sprecher bestätigte, „dass die Anrufung auch schon erfolgt ist“. Über die Argumente des DAV wird Stillschweigen bewahrt. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir den dazu gehörigen Schriftsatz vertraulich behandeln möchten.“

Dabei ist die Sachlage eigentlich aus DAV-Sicht klar. Bereits Anfang August teilte der Apothekerverband mit: „Der DAV vertritt die Auffassung, dass die Neuregelung des § 3 Rahmenvertrag ab 1. Juni 2016 auch schon für alle Beanstandungen gilt, bei denen das Beanstandungsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde. Gegenteilige Auffassungen einzelner Krankenkassen sind demnach falsch. Der DAV hat gegenüber dem GKV-Spitzenverband und einzelnen Krankenkassen mit Nachdruck die Auffassung vertreten, dass der Schiedsspruch auch für noch nicht abgeschlossene Beanstandungsverfahren Geltung entfaltet.“

Bereits vor Wochen hatte der Vorsitzende der Schiedsstelle, Dr. Rainer Hess, seine Bereitschaft zu einer Klarstellung gegenüber APOTHEKE ADHOC zu Protokoll gegeben: „Wenn die Vertragsparteien eine Klarstellung wünschen, müssen sie die Schiedsstelle anrufen.“ Zum Inhalt wollte er sich zwar nicht äußern. Hess machte allerdings deutlich, dass er zum Stichtag eine klare Position habe. Daher dürfte die Klärung des Stichtags nicht lange auf sich warten lassen.

DAV und GKV-Spitzenverband hatten sich nach langen Verhandlungen Ende Mai im Schiedsverfahren auf einen neuen Rahmenvertrag verständigt. Apotheker dürfen jetzt bestimmte Angaben auf dem Rezept selbst ergänzen, etwa die Betriebsstättennummer des Arztes oder die Kassen-IK. Viele Formfehler können nach Rücksprache mit dem Arzt behoben werden, bei anderen wird eine Retaxation ausgeschlossen. Eine nachträgliche Heilung ist aber weiterhin ausgeschlossen, sobald das Rezept bei der Krankenkasse ist.

Der Beschluss ist am 1. Juni in Kraft getreten. Beim DAV ging man davon aus, dass das Retax-Prozedere damit sofort umgestellt wird. „Die Neuregelung gilt für alle Beanstandungen, die künftig ausgesprochen werden oder bei denen das Beanstandungsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde“, sagte ein DAV-Sprecher direkt nach der Einigung Ende Mai.

In der Praxis werden laufenden Prüfungen der Rezepte bei einigen Kassen jedoch nach den alten Regeln durchgeführt. Sollte Hess den Retax-Deal im Sinne der Apotheker dann für rückwirkend gültig erklären, müssten entsprechende Retaxationen rückabgewickelt werden. Apotheker sollten bis zu einer Klärung besser Einspruch gegen solche Absetzungen einlegen.

Zumindest auf Seiten des Ersatzkassenverbandes (VDEK) gibt es die Haltung, den neuen Rahmenvertrag erst ab Juni umzusetzen. Die DAK-Gesundheit hat die Apotheker bereits darüber informiert, dass alte Retaxationen Bestand haben und verfährt in der Praxis auch so. Auf Nachfrage erklärte die Kasse, dass damit auch nicht abgeschlossene Verfahren gemeint sind: „Bei uns werden alle nach dem 1. Juni ausgesprochenen Retaxationen nach den neuen Regeln behandelt, laufende Beanstandungsverfahren aber nach dem alten Rahmenvertrag“, so ein Sprecher der Kasse gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Gleiches Bild bei der KKH: „Die Neureglung des Rahmenvertrages wird für Rezepte, die nach dem 1. Juni 2016 abgerechnet werden, angewendet. Für laufende Verfahren beziehungsweise Retaxationen der Vergangenheit finden die Neuregelungen keine Anwendung.“ Auch für die Barmer GEK ist klar: Alle Fälle vor dem Stichtag im Juni würden nach den alten Regeln abgerechnet. „Entscheidend ist das Abgabedatum auf dem Rezept“, erklärte ein Sprecher der Kasse.

Der GKV-Spitzenverband als Kompromisspartner hielt sich bedeckt: „Wir gehen davon aus, dass Retaxationen stets mit Augenmaß durchgeführt werden. Der Beschluss der Schiedsstelle ist am 1. Juni in Kraft getreten. Eine Regelung zu der aufgeworfenen Frage ist in diesem Beschluss nicht enthalten“, erklärte ein Sprecher zur Stichtags-Frage. In der Praxis wurden noch im Juni Retaxationen ausgesprochen, die sich auf mittlerweile ausgeschlossene Beanstandungen beziehen – etwa der fehlenden Begründung bei pharmazeutischen Bedenken.

Bei den drei unparteiischen Vorsitzenden Dr. Rainer Hess, Professor Dr. Ingwer Ebsen und Professor Dr. Christian Starck war der Umgang mit dem Starttermin intern Thema. Eindeutig liegt der Fall Hess zufolge bei bestimmten Formfehlern. Dazu zählt der Schiedsstellenvorsitzende fehlerhafte Abkürzungen, Schreibfehler oder eine Dosierungsanleitung nach dem Schema 1-0-1 statt morgens und abends. In diesen Fällen hätten die allermeisten Krankenkassen bereits in der Vergangenheit nicht retaxiert, so Hess. „Sofern es sich um eine Klarstellung handelt, gilt es auch für laufende Verfahren“, stellte der Schiedsstellenvorsitzende bereits klar. Zum allgemeinen Umgang mit dem Stichtag wird er sich jetzt auf Anfrage äußern.

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