Pari Boy: Rahmenvertrag gefährdet Versorgung Nadine Tröbitscher, 06.04.2017 09:01 Uhr
Hilfsmittel zählen zum Leistungskatalog von Apotheken und können im Krankheitsfall lebensnotwendig sein. Aber auch in diesem Bereich gilt es bei den Krankenkassen Kosten einzusparen. Im Falle eines Pari Boys zu Lasten eines zweieinhalbjährigen Kindes, das bei der DAK versichert ist.
Es ist Freitag 11 Uhr, eine Mutter möchte in einer Apotheke in Hessen eine Verordnung über einen Pari Boy einlösen. Zusätzlich sind Atrovent und Salbutamol verordnet, die Arzneimittel sollen vernebelt werden. Versorgten die Apotheken die Patienten früher direkt, gelten heute für die DAK die Vorgaben der Verträge. Auch Ausnahmen gibt es nicht mehr. Bis vor einigen Monaten konnten die Apotheken noch am Samstag oder nach 16 Uhr die Patienten direkt versorgen.
Gewinner der DAK-Ausschreibung ist der zentrale Versorger PHILmed, der laut Apotheke eine Lieferung per Express-Versand zum nächsten Tag zusicherte. Die Mutter verwarf den Gedanken, das Gerät für 160 Euro selbst zu kaufen, da es am Samstag ankommen würde. Ein Leihgerät stand ebenfalls nicht zur Verfügung. Für den Notfall hatte der Kinderarzt Rectodelt verordnet.
In der Nacht litt das Kind jedoch an starken Atemproblemen, die auch durch die Gabe der Notfallzäpfchen nicht gemildert werden konnten – das Kind musste in ein Krankenhaus und dort versorgt werden. Am folgenden Tag traf jedoch von PHILmed kein Pari Boy ein. Die Apotheke verfolgte die Sendungsnummer und stellte fest, dass der Vernebler als normales Paket ohne Express verschickt wurde. Somit erreichte der Pari Boy den kleinen Patienten erst am Montag, nachdem die Mutter das Gerät dann doch gekauft hatte.
Bei der DAK zeigt man sich laut Apotheker uneinsichtig. Der Arzt hätte auf eine dringende Versorgung auf der Verordnung hinweisen müssen. Im Einzelfall könne man die Kosten erstatten, dazu müsse die Mutter jedoch einen Nachweis erbringen, dass sie tatsächlich mit dem Kind in einem Krankenhaus war.
Gegenüber APOTHEKE ADHOC teilte ein Sprecher der DAK mit: „PHILmed hat das Gerät am Freitag auf dem normalen Postweg verschickt, da auf dem Rezept keine Notversorgung angegeben war, wir können nur mit den Daten arbeiten, die wir haben.“ Laut Recherche war auch bei PHILmed kein Notfall zu erkennen, die Mutter habe man zudem nicht telefonisch erreichen können. Die Mutter jedoch konnte weder einen Anruf in Abwesenheit von der DAK noch von PHILmed bestätigen. Weder Apotheke noch Mutter hätten auf die dringende Versorgung hingewiesen, sonst hätte ein Kurier geschickt werden können. Einen finanziellen Schaden hat die Familie nicht zu befürchten, die DAK wird die Kosten für den am Samstag gekauften Pari Boy erstatten.
Es steht Aussage gegen Aussage: Mutter, Arzt und Apotheker bestätigen die Kommunikation einer dringenden Versorgung des kleinen Patienten. Die Mutter habe noch in der Arztpraxis mit der Krankenkasse telefoniert und wurde dann direkt an den Versorger weitergeleitet. Die Kinderarztpraxis faxte dann das Rezept zu PHILmed.
Auf ihrer Internetseite wirbt die Krankenkasse für den zentralen Versorger. Die Onlinebestellung hätte gleich mehrere Vorteile: „Wenn der Auftrag werktags bis 17 Uhr bei PHILmed eingeht, wird Ihr Gerät noch am selben Tag verschickt. Unsere Genehmigung für die Kostenübernahme Ihres Inhalationsgeräts stellen wir PHILmed sofort zu, so dass es nicht zu Verzögerungen kommt.“
Und: „Sie können den Versandstatus online verfolgen.“ Eine Bestellung kann jedoch auch telefonisch, per Fax oder über den Kostenträger erfolgen. Verfolgt man die Seite weiter, führt die Krankenkasse auf „Den Liefertermin sprechen Sie individuell mit PHILmed ab.“
Könnten Apotheken noch direkt versorgen, hätte das Kind nicht ins Krankenhaus gemusst, da ist sich der Apotheker sicher. Auch die Aussage der DAK kann der Apotheker nicht nachvollziehen. Er hatte selbst am Freitag und Samstag mit PHILmed telefoniert, dort konnte sich niemand erklären, warum das Gerät nicht im Express-Versand verschickt wurde.