Rahmenvertrag

Kassen setzen Retax-Stichtag fest

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Berlin -

Welche Erleichterung die neuen Retaxregeln im Apothekenalltag bringen, werden erst die kommenden Monate zeigen. Denn einige Formulierungen im neuen §3 des Rahmenvertrags sind naturgemäß Auslegungssache. Das erste Missverständnis gibt es aber schon beim Stichtag. Während man beim Deutschen Apothekerverband (DAV) davon ausgeht, dass die Absprache für alle nicht abgeschlossenen Beanstandungen gilt, fühlen sich die Kassen erst seit Juni an die neuen Regeln gebunden. Jetzt sieht es so aus, als müssten die Schiedsrichter des Verfahrens ein Machtwort sprechen.

DAV und GKV-Spitzenverband hatten sich nach langen Verhandlungen Ende Mai im Schiedsverfahren auf einen neuen Rahmenvertrag verständigt. Apotheker dürfen jetzt bestimmte Angaben auf dem Rezept selbst ergänzen, etwa die Betriebsstättennummer des Arztes oder die Kassen-IK. Viele Formfehler können nach Rücksprache mit dem Arzt behoben werden, bei anderen wird eine Retaxationen ausgeschlossen. Eine nachträgliche Heilung ist aber weiterhin ausgeschlossen, sobald das Rezept bei der Krankenkasse ist.

Der Beschluss ist am 1. Juni in Kraft getreten. Beim DAV geht man davon aus, dass das Retax-Prozedere damit sofort umgestellt wird – und zwar gewissermaßen rückwirkend: „Die Neuregelung gilt für alle Beanstandungen, die künftig ausgesprochen werden oder bei denen das Beanstandungsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde“, sagte ein Sprecher des DAV nach der Einigung Ende Mai.

Doch im Kassenlager wird der Stichtag zumindest teilweise anders interpretiert: Die DAK-Gesundheit hat die Apotheker bereits darüber informiert, dass alte Retaxationen Bestand haben und verfährt in der Praxis auch so. Auf Nachfrage erklärte die Kasse, dass damit auch nicht abgeschlossene Verfahren gemeint sind: „Bei uns werden alle nach dem 1. Juni ausgesprochenen Retaxationen nach den neuen Regeln behandelt, laufende Beanstandungsverfahren aber nach dem alten Rahmenvertrag“, so ein Sprecher der Kasse gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Gleiches Bild bei der KKH: „Die Neureglung des Rahmenvertrages wird für Rezepte, die nach dem 1. Juni 2016 abgerechnet werden, angewendet. Für laufende Verfahren beziehungsweise Retaxationen der Vergangenheit finden die Neuregelungen keine Anwendung.“ Auch für die Barmer GEK ist klar: Alle Fälle vor dem Stichtag im Juni würden nach den alten Regeln abgerechnet. „Entscheidend ist das Abgabedatum auf dem Rezept“, erklärte ein Sprecher der Kasse.

Dieses Vorgehen wurde dem Vernehmen nach zumindest auf Ebene des Ersatzkassenverbandes VDEK so abgestimmt. Ob auch die AOKen nach diesem Prinzip verfahren, war bislang nicht zu erfahren. Dahinter steht jedenfalls die Überlegung, dass eine Umsetzung nach dem Stichtag einer „normalen juristischen Logik“ entspreche. In der Vereinbarung zwischen Kassen und Apothekern stehe nichts anderes, heißt es.

Auf diesen Standpunkt zieht sich auch der GKV-Spitzenverband zurück, ohne eine Empfehlung auszusprechen: „Wir gehen davon aus, dass Retaxationen stets mit Augenmaß durchgeführt werden. Der Beschluss der Schiedsstelle ist am 1. Juni in Kraft getreten. Eine Regelung zu der aufgeworfenen Frage ist in diesem Beschluss nicht enthalten“, so ein Sprecher zur Frage der laufenden Retax-Verfahren.

Beim DAV will man das nicht hinnehmen. Notfalls soll das Thema erneut bei den Vorsitzenden der Schiedsstelle vorgetragen werden. Nicht abgeschlossene Beanstandungen seitens der Kasse müssen aus Sicht des DAV nach den neuen Regeln behandelt werden. In der Praxis wurden dagegen noch im Juni Retaxationen ausgesprochen, die sich auf mittlerweile ausgeschlossene Beanstandungen beziehen – etwa der fehlenden Begründung bei pharmazeutischen Bedenken.

Bei den drei unparteiischen Vorsitzenden Dr. Rainer Hess Professor Dr. Ingwer Ebsen und Professor Dr. Christian Starck war der Umgang mit dem Starttermin intern tatsächlich schon Thema. Eindeutig liegt der Fall Hess zufolge bei bestimmten Formfehlern. Dazu zählt der Schiedsstellenvorsitzende fehlerhafte Abkürzungen, Schreibfehler oder eine Dosierungsanleitung nach dem Schema 1-0-1 statt morgens und abends.

In diesen Fällen hätten die allermeisten Krankenkassen bereits in der Vergangenheit nicht retaxiert, so Hess. „Sofern es sich um eine Klarstellung handelt, gilt es auch für laufende Verfahren“, stellte der Schiedsstellenvorsitzende klar. In anderen Konstellationen will sich Hess erst mit seinen beiden Mitstreitern besprechen, bevor er sich öffentlich festlegt. Das würden die Vorsitzenden tun, wenn einer der Vertragspartner um eine Klarstellung bitte, so Hess.

Der DAV wird diesen Schritt vermutlich gehen. „Es hätte mich auch gewundert, wenn das Vereinbarte von allen Seiten gleich interpretiert worden wäre“, so einer der Verhandlungsführer des DAV lakonisch. Jetzt wird Hess offenbar noch einmal schlichten müssen.

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