Mit der Umsetzung des neuen Rahmenvertrags haben sich viele Apotheken offenbar sehr schwergetan. Das geht aus einer internen Aufstellung des privaten Rechenzentrums AvP hervor. Spätestens in diesem Monat nach Ende der Friedenspflicht sollten die Apotheker die neuen Vorgaben einhalten – sonst könnten massenhaft Retaxationen drohen.
AvP hat sich die erste Juli-Abrechnung genauer angesehen und viele Rezepte „gerettet“. Den potenziellen Schaden beziffert das Rechenzentrum insgesamt auf 1,1 Millionen Euro. Hochgerechnet auf alle Apotheken entspreche das einem Retaxrisiko von 120 Millionen Euro für das ganze Jahr. Denn den Apothekern drohe bei Nichtbeachtung des Rahmenvertrags die Nullretaxtaion.
„Wir prüfen, ob einer der vier preisgünstigsten Artikel abgegeben wurde“, so AvP-Vorstand Tobias Wölk. Mit dem ScanAdhoc Zusatzmodul Pharma-Control sei auch die Einhaltung des Preisankers überprüfbar. Die Mehrzahl der Kassen hatte für den Startmonat Juli noch eine Freidenspflicht ohne Retaxationen vorgesehen, spätestens seit Anfang August sollten sich die Apotheker aber auf die neuen Vorgaben eingestellt haben.
Nichtverfügbarkeit, pharmazeutische Bedenken oder dringender Fall sind nur einige Gründe, warum in Ausnahmefällen von der Abgaberangfolge abgewichen werden kann. Auch nach Inkrafttreten des neuen Rahmenvertrags ist es weiterhin möglich, unter Angabe der Sonder-PZN 02567024 und des entsprechenden Faktors den Patienten zu versorgen. Im Apotipp zum Rahmenvertrag ist die Bedeutung der neuen Faktoren erklärt.
Nichtverfügbarkeit:
Faktor 2: Rabattarzneimittel nicht verfügbar
Achtung: Gibt es mehrere Rabattpartner, wird die Abgaberangfolge durch den Defekt eines Rabattpartners nicht außer Kraft gesetzt. Die Rangfolge muss so lange durchlaufen werden, bis ein abgabefähiges Arzneimittel ermittelt wurde. Für jeden einzelnen Rabattpartner sind je zwei Nichtverfügbarkeitsnachweise beim Großhandel einzuholen und zu dokumentieren.
In diesem Fall darf die Apotheke eines der vier preisgünstigsten Arzneimittel beziehungsweise einen preisgünstigen Import abgeben. Jedoch dürfen die Präparate nicht teurer als das verordnete sein.
Faktor 3: Die vier preisgünstigsten Arzneimittel beziehungsweise die preisgünstigsten Importarzneimittel (2 Prozent Einsparziel) sind nicht verfügbar
Die Apotheke darf in diesem Fall das nächstpreisgünstige verfügbare Arzneimittel (Generikamarkt) beziehungsweise ein Referenzarzneimittel oder einen Import abgeben. Jedoch dürfen die Präparate nicht teurer als das verordnete sein.
Faktor 4: Rabattarzneimittel und die vier preisgünstigsten Arzneimittel beziehungsweise die preisgünstigsten Importarzneimittel (2 Prozent Einsparziel) sind nicht verfügbar
Die Apotheke darf in diesem Fall das nächstpreisgünstige verfügbare Arzneimittel (Generikamarkt) beziehungsweise ein Referenzarzneimittel oder einen Import abgeben. Jedoch dürfen die Präparate nicht teurer als das verordnete sein.
Dringender Fall (Akutversorgung, Notdienst):
Faktor 5: Rabattarzneimittel ist nicht vorrätig und eine Abgabe muss aufgrund eines dringenden Falles sofort erfolgen
Abgabe eines der vier preisgünstigsten Arzneimittel beziehungsweise eines preisgünstigen Imports. Jedoch dürfen die Präparate nicht teurer als das verordnete sein.
Faktor 6: Rabattarzneimittel und die vier preisgünstigsten Arzneimittel beziehungsweise preisgünstigsten Importarzneimittel sind nicht vorrätig und ein Aufschub der Abgabe aufgrund eines dringenden Falles ist nicht möglich
Abgabe des nächstpreisgünstigen vorrätigen Arzneimittels (Generikamarkt) beziehungsweise eines Referenzarzneimittels oder Imports. Jedoch dürfen die Präparate nicht teurer als das verordnete sein.
Dokumentationspflicht! Neben Sonder-PZN und Faktor ist ein entsprechender Vermerk auf der Verordnung vorzunehmen. Dieser ist separat mit Datum und Unterschrift abzuzeichnen. Eine Rücksprache mit dem Arzt ist jedoch nicht notwendig.
Achtung! Gemäß § 17 ist im dringenden Fall eine Abweichung von der verordneten Packungsgröße möglich, sofern die verordnete Packungsgröße in der Apotheke nicht vorrätig ist.
Wunscharzneimittel:
Faktor 7: Abgabe eines vom Versicherten verlangten, austauschfähigen Arzneimittels
Der Versicherte zahlt den vollen Preis und erhält eine Kopie der Verordnung zur Abrechnung mit der Kasse. Die Apotheke gibt die Verordnung in die Rezeptabrechnung und wird mit einer Pauschale von 50 Cent vergütet.
Pharmazeutische Bedenken:
Faktor 8: Gegen das Rabattarzneimittel und dessen Austausch bestehen sonstige/pharmazeutische Bedenken
Wenn möglich Abgabe eines Rabattarzneimittels, gegen das keine Bedenken vorliegen. Oder unter Einhaltung der Abgaberangfolge Versorgung mit einem der vier preisgünstigsten Arzneimittel beziehungswiese eines preisgünstigsten Reimports, gegen die keine pharmazeutischen Bedenken bestehen. In jedem Fall darf das abgegebene Arzneimittel nicht teurer sein als das namentlich Verordnete.
Achtung: Wird die Preisgrenze überschritten, muss die Apotheke mit dem Arzt vor der Abgabe Rücksprache halten und dies auf der Verordnung dokumentieren und separat abzeichnen – oder ein neues Rezept anfordern.
Faktor 9: Gegen das Rabattarzneimittel und die vier preisgünstigsten Arzneimittel beziehungsweise die preisgünstigsten Importe liegen pharmazeutische Bedenken vor
Auch bei Faktor 8 und 9 muss vom pharmazeutischen Personal eine konkrete Dokumentation der pharmazeutischen Bedenken auf der Verordnung aufgetragen werden. Diese ist separat mit Datum und Unterschrift abzuzeichnen.
Neu: Werden bei preisgünstigen Reimporten aufgrund von pharmazeutischen Bedenken oder im dringenden Fall Sonderkennzeichen geltend gemacht, beeinflusst dies nicht das Einsparziel.
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