Rabattverträge: Kinderarzneiliste sorgt für Chaos Patrick Hollstein, 27.02.2024 09:59 Uhr
Keine Festbeträge, keine Rabattverträge: Im Kampf gegen Lieferengpässe lockert Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Daumenschrauben ein wenig – allerdings nur bei Kinderarzneimitteln. Doch eine Liste, in der die betroffenen Präparate aufgeführt sein sollen, ist unvollständig. Hersteller schlagen Alarm, dass dadurch die Engpässe noch schlimmer werden könnten.
Mit dem Lieferengpassgesetz (ALBVVG) wurde das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beauftragt, in Abstimmung mit dem Beirat eine Liste an wichtigen Kinderarzneimitteln zu erarbeiten. Diese Sammlung ist laut Vorgabe aktuell zu halten und soll Arzneimittel beinhalten, die auf Grund der zugelassenen Darreichungsformen und Wirkstärken zur Behandlung von Kindern notwendig sind.
Für die aufgenommenen Präparate gelten keine Festbeträge mehr, so steht es in § 35 Sozialgesetzbuch (SGB V). Außerdem dürfen für die gelisteten Medikamente keine Rabattverträge mehr ausgeschrieben werden, diese Vorgabe findet sich in § 130a Absatz 8. Mit beiden Maßnahmen will Lauterbach erreichen, dass sich wieder mehr Anbieter finden, die entsprechende Präparate auf den Markt bringen.
Doch die Liste, auf der die Präparate für jede Wirkstärke und Packungsgröße einzeln auf PZN-Basis aufgeführt sind, sorgt derzeit für erheblichen Ärger. Denn bei den einzelnen Wirkstoffen sind längst nicht alle in Frage kommenden Produkte enthalten. Und das hat aus Sicht der betroffenen Hersteller gravierende Folgen.
Nur die Hälfte gelistet
Beispiel Lamotrigin. Hier sind nur die Präparate von jedem zweiten Hersteller gelistet, darunter neben dem Altoriginal Lamictal auch die Generika von Aristo, Neuraxpharm und Ratiopharm. Ursache dürfte sein, dass die gelisteten Podukte als Tabletten zur Herstellung einer Suspension benannt sind, während die Produkte der anderen Anbieter nur als Tabletten vermarktet werden. Dabei werden auch sie auf dieselbe Weise vor der Einnahme verflüssigt; die Fachinfomationen und Beipackzettel sind zumindest teilweise identisch.
Offenbar wurden die Präparate bei der Entscheidung über die Aufnahme händisch geprüft. Und selbst dann ist die Liste nicht konsistent, denn die Tabletten von CT erscheinen in der Dosierung à 50 mg nicht auf der Liste, in der Dosierung à 100 mg dagegen schon.
Sperre für Rabattverträge
Das Problem: Hersteller, die auf der Liste geführt sind, dürfen sich nicht mehr an Ausschreibungen der Kassen beteiligen. Aktuell laufen zwar noch Rabattverträge, aber schon im März wollen die Ersatzkassen die ab Januar startende Rabattrunde ausschreiben, im August folgt dann die AOK mit Verträgen ab Juni 2025.
Aristo hat aktuell zahlreiche Rabattverträge laufen, unter anderem bei AOK, BKKen, IKKen und der TK. Dem Hersteller droht nun nahezu der komplette Verlust dieses Marktes, und zwar auf Jahre hinaus. Von seinem derzeit hohen Anteil von rund 33 Prozent könnte das Unternehmen bei Lamotrigin in die Bedeutungslosigkeit abstürzen, denn nur ein minimaler Teil von 1 Prozent des bisherigen Volumens könnte weiter bedient werden.
Zwar werden Patientinnen und Patienten beim Antiepileptikum erfahrungsgemäß nur zögerlich umgestellt. Aber für den Hersteller stellt sich die Frage, welche Kapazitäten er für das bislang wichtige Produkt vorrätig halten will. „Hier werden schnell neue Engpässe entstehen“, heißt es vom Hersteller.
Immerhin: Die aktualisierte Version, die am 11. Januar veröffentlicht wurde, enthält nun auch 1A Pharma sowie Stada und Aliud – Acis, Axcount, Desitin, Heumann/Heunet, Hormosan, Aurobindo, Teva und Dura (Viatris) fehlen weiterhin. Merkwürdig ist allerdings, dass 1A ebenfalls nur als Tablette zum Einnehmen zugelassen ist, genauso wie das Präparat von Acis, das zwar auch bei Kindern ab zwei Jahren eingesetzt werden kann, aber weiterhin auf der Liste fehlt.
Hersteller zahlt drauf
Ein weiteres Problem: Mit dem Wegfall des Festbetrags wird der Generikaabschlag in Höhe von 10 Prozent nach § 130a Abs. 3b SGB V fällig, der bislang bei Unterschreitung der Erstattungsgrenze vermieden werden konnte. Weil dieser Zwangsabschlag bei der Berechnung des Rabatts nicht einkalkuliert war, wird Lamotrigin für Aristo jetzt unwirtschaftlich. Mit manchen Kassen konnte wohl diesbezüglich eine Übereinkunft erzielt werden, aber mindestens eine große Kasse stellt sich quer.