Die Barmer GEK nimmt eine Retaxation wegen der vermeintlichen Nichtbeachtung des Rabattvertrags bei L-Thyroxin zurück. Der betroffene Apotheker aus Konstanz hatte zwei Arzneimittel auf dem Rezept in umgekehrter Reihenfolge bedruckt. Bei der Rezeptprüfung war dies zunächst nicht aufgefallen. Dem Einspruch des Apothekers wird die Kasse jetzt stattgeben, wie ein Sprecher auf Nachfrage erklärte.
Der Apotheker hatte im September eine Verordnung über L-Thyroxin von Henning bedient. Im August hatte die Barmer neue Rabattverträge mit Aristo, Betapharm und der Bietergemeinschaft Zentiva/Sanofi geschlossen. Allerdings hatte der Arzt bei L-Thyroxin ein Aut-idem-Kreuz gesetzt – der Apotheker durfte das Präparat also nicht austauschen.
Die Barmer retaxierte im Juni dennoch und begründete dies mit der Nichtbeachtung des Rabattvertrags. Der Apotheker legte Einspruch ein und verwies seinerseits auf den Substitutionsausschluss des Arztes.
Mittlerweile hat sich der Fall aufgeklärt: Der Arzt hatte als zweite Position Diclofenac verordnet. Der Apotheker hatte die PZN der beiden Arzneimittel in umgekehrter Reihenfolge auf das Rezept gedruckt. Damit sah es für die Prüfstelle so aus, als sei Diclofenac mit Aut-idem-Kreuz verordnet und bei L-Thyroxin der Rabattvertrag nicht beachtet worden. Bei der Sichtprüfung sei der Dreher durchgegangen, sagte ein Barmer Sprecher.
Auch wenn der Fehler aus Sicht der Kasse bei der Apotheke lag, weil das Rezept in der falschen Reihenfolge bedruckt wurde, wird die Retaxationen zurückgenommen. Man werde den Einspruch anerkennen, kündigte der Barmer-Sprecher an.
Der Apotheker hatte sich über die Retaxation besonders geärgert, weil die Rabattverträge zu L-Thyroxin heute sowieso keine Rolle mehr spielen: Denn seit dem 10. Dezember darf das Hormonpräparat überhaupt nicht mehr ausgetauscht werden. Der Wirkstoff steht zusammen mit Digitoxin, β-Acetyldigoxin, Phenytoin, Ciclosporin, Tacrolimus und Digoxin auf der Aut-idem-Liste. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat diese Wirkstoffe von der Substitution ausgeschlossen – wegen der engen therapeutischen Breite.
Diese hat sich aus Sicht des Apothekers in den wenigen Monaten zwischen der strittigen Abgabe und dem Inkrafttreten der Liste nicht verändert. Die Kasse hätte daher ihre Prüfkriterien anpassen und auf Retaxationen zu diesen Wirkstoffen allgemein verzichten können, findet der Apotheker.
Verpflichtet sind die Kassen dazu allerdings nicht. Vor Inkrafttreten der Aut-idem-Liste galten die Regeln der Rabattverträge. Davon hat auch die BKK R+V schon Gebrauch gemacht. Kurz vor Weihnachten retaxierte die Kasse einen Apotheker, der den Austausch des Rabattpartners bei L-Thyroxin versäumt hatte – vor Inkrafttreten der Liste.
Großzügiger sind einige Kassen dagegen, wenn es um ihre Einsparungen geht: Hält sich die Apotheke trotz Aut-idem-Liste an den Rabattvertrag der Kasse, wird oftmals nicht retaxiert. Dabei ist die Abgabe streng genommen nicht korrekt. Und die Nichtbeachtung des Substitutionsausschlusses wird in anderen Fällen auch retaxiert, wenn die Rabattverträge nicht berührt sind.
Demnächst sollen weitere Wirkstoffe auf die Aut-idem-Liste aufgenommen werden. Der G-BA hat Buprenorphin in der Darreichungsform transdermale Pflaster (TTS), Carbamazepin, Oxycodon und Valproinsäure als Retardtabletten sowie in Tablettenform Phenobarbital, Phenprocoumon und Primidon vorgeschlagen.
APOTHEKE ADHOC Debatte