Wer Rabattverträge nicht beachtet, handelt unwirtschaftlich. Und wer unwirtschaftlich handelt, den trifft die ganze Härte des Sozialrechts. Stichwort: Nullretaxation. Ob man aber de facto zum teureren Präparat gegriffen hat, wissen nur die Kassen – denn die Rabatte werden gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Ein Apotheker aus Bielefeld hat erstritten, dass ihm Auskunft erteilt werden muss.
Der Apotheker war von der BKK Diakonie über einen Betrag von 500 Euro retaxiert worden. Er hatte einen Reimport von Prograf (Tacrolimus) abgegeben, obwohl die Kasse einen Rabattvertrag mit dem Originalhersteller Astellas geschlossen hatte. Der Wirkstoff steht zwar auf der sogenannten Aut-idem-Liste, das Austauschverbot greift aber bei Original/Import nicht.
Weil ihm aus der Vergangenheit zahlreiche Fälle bekannt waren, in denen auch die Retaxstellen falsch lagen, forderten der Pharmazeut und sein Anwalt Peter von Czettritz von der Kanzlei Preu Bohlig & Partner Auskunft über die Konditionen des Rabattvertrags. Auch wenn die Kassen selbst zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet sind: Bei 500 Euro wollte man nicht einfach nur der Versicherung der Gegenseite glauben müssen, dass der Import tatsächlich teurer war als das Original im Open-house-Vertrag.
Da Kasse und Hersteller sich auf ihr Geschäftsgeheimnis beriefen, ging der Fall vor Gericht. Das Verwaltungsgericht (VG) Minden entschied nun überraschend, dass der Apotheker nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Anspruch auf Auskunft hat. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor, doch offenbar sehen die Richter weder das Betriebsgeheimnis noch das übergeordnete Interesse der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) berührt.
Jedenfalls musste der Apotheker nicht nachweisen, dass er tatsächlich ein berechtigtes Interesse hat. Jeder Interessent darf demnach Auskünfte über Rabattverträge verlangen. Ähnlich hatte zuletzt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen-Anhalt im Streit zwischen Kohlpharma und der AOK entschieden. Allerdings ging es in diesem Einzelfall um einen Vertrag, der vor mehreren Jahren und nicht nach Maßgabe des öffentlichen Vergaberechts abgeschlossen wurde.
Dass Rabattvereinbarungen als amtliche Information gelten, ist mittlerweile unstreitig. Selbst der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte schon entschieden, dass es im Vergaberecht eine gewisse Transparenz geben muss.
Sollte die Kasse Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen, könnte der Streit vor dem OVG Münster in die nächste Runde gehen. Ob der Apotheker allerdings komplettes Licht ins Dunkel bringen kann, ist ungewiss: Da es im konkreten Fall um einen Open-house-Vertrag aus dem Jahr 2009 ging, dürfte der ausgehandelte Preise wohl nicht an der Schmerzgrenze angesiedelt sein. Bei Exklusivverträgen könnten wegen der geringeren Spannen wohl eher Geschäftsgeheimnisse tangiert sein.
Vor Retaxationen dürften die Kenntnisse über die Höhe der Rabatte die Apotheker auch nur Einzelfällen schützen. Denn selbst wenn im Einzelfall künftig nachgewiesen werden könnte, dass der reale Schaden der Kasse weitaus geringer ausfällt: Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits entschieden, dass Nullretaxationen als Sanktionsmittel zulässig sind.
Nur im Bereich der Reimporte könnte es für Apotheker mehr Sicherheit geben. Denn hier wissen bislang nur die Kassen, wann ein rabattiertes Original wirklich wirtschaftlicher als Import ist. Die Parallelhändler kalkulieren oftmals ins Blaue hinein. Und auch die kalkulierte Preisschaukel von einigen Anbietern war vor einigen Jahren tausende Apotheker schon teuer zu stehen gekommen.
Zuletzt hatte das SG Nürnberg allerdings in einem Retax-Streit erklärt, dass Apotheker das verordnete Importarzneimittel sogar dann austauschen müssten, wenn es nachweislich billiger als das rabattierte Original wäre. Der Streit um die Austauschpflichten wird also noch eine Weile weitergehen.
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