Können Hersteller rabattierte Arzneimittel nicht liefern, drohen ihnen seitens der Krankenkasse Vertragsstrafen. Das Eingeständnis geben die Unternehmen nur ungern ab. Heunet etwa hatte einem Apotheker die Bestätigung verwehrt. Auch Neuraxpharm hatte sich zunächst gesträubt. Eine Apothekerin aus Rheinland-Pfalz hatte den Defektbeleg mehrfach telefonisch gefordert – und letztlich auf Nachdruck erhalten.
Kerstin Iversen wollte Anfang Februar einen Kunden mit Pipamperon Neuraxpharm 40 mg versorgen. Doch die Packung mit 50 Stück war weder von ihren Großhändlern Phoenix und Noweda noch vom Hersteller lieferbar. Die Inhaberin der Stern-Apotheke in Konz gab das Präparat eines anderen Herstellers ab und bedruckte das Rezept mit der entsprechenden Sonderkennziffer.
Neuraxpharm ist mit dem Neuroleptikum einziger Rabattpartner bei der DAK. Eine Angestellte der Apothekerin forderte als Nachweis einen schriftlichen Defektbeleg beim Langenfelder Hersteller an. Dieser sei jedoch verwehrt worden, sagt Iversen. Daraufhin rief die Chefin persönlich bei dem Unternehmen an, das seit 2009 zur Strüngmann-Familie gehört.
Eine Mitarbeiterin im Kundenservice habe gesagt, sie könne den Defektbeleg nicht ausstellen, so Iversen. Die Apothekerin konnte sie auch nicht mit der drohenden Retaxation überzeugen. „Sie darf angeblich keine schriftlichen Belege ausstellen“, so Iversen. Allerdings habe man ihr versichert, falls die Kasse den Betrag abziehe, die Kosten zu erstatten.
Diese Reaktion sei „ein Unding“, kritisiert Iversen. Der Nachweis für Lieferausfälle werde ad absurdum geführt, wenn der Großhandelsbeleg nicht gelte und die Hersteller gleichzeitig keine Bescheinigung ausstellten. „Die Defektbelege einzusammeln ist ohnehin genug Arbeit.“ Täglich seien bis zu fünf Artikel nicht lieferbar.
Iversen führt die Apotheke seit etwa zehn Jahren. „Früher hat der Großhandelsbeleg immer ausgereicht“, sagt sie. Doch die DAK retaxiert mittlerweile besonders streng wegen Nichtbeachtung der Rabattverträge und akzeptiert die Bestätigung in Form von Defektlisten des Großhändlers nicht immer. Die Nichtverfügbarkeit beim Großhandel ist laut Kasse nicht mit der Nichtlieferfähigkeit des Herstellers gleichzusetzen.
Neuraxpharm hat mittlerweile eingelenkt. Der Fall wurde an Marketing- und Vertriebsleiter Olaf Krampe weitergeleitet, der der Apothekerin den Ausfall bestätigt hat. Die zwischenzeitliche Lieferunfähigkeit vom 11. Dezember bis einschließlich 10. Februar sei an die DAK gemeldet worden, heißt es auf der Bestätigung.
In der Vergangenheit habe sehr selten Anlass bestanden, Defektbelege bei Lieferunfähigkeiten von Produkten auszustellen, sagt Krampe. Die Beteiligten hätten die entsprechenden Meldungen durch die Großhändler erhalten. „Nachdem einige Krankenkassen seit Kurzem dieses Vorgehen nicht mehr akzeptieren, haben wir unsere Kommunikation dahingehend angepasst, so dass wir entsprechende Defektbelege an betroffene Apotheken versenden.“
Insbesondere die DAK ist für ihre harte Gangart aufgefallen. Die Kasse hatte zuletzt bei mehreren Apotheken gekürzt, weil sie statt des rabattierten Arzneimittels ein anderes Präparat abgegeben hatten. Eingereichte Defektlisten der Großhändler als Nachweis für die Nichtlieferfähigkeit ließ sie dabei nicht gelten.
Im Rahmenvertrag zwischen dem Deutschen Apotherkverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband wird der Nachweis gefordert, dass ein Rabattarzneimittel „vom pharmazeutischen Unternehmer nicht geliefert werden konnte“. Die Apotheke muss die Nicht-Lieferfähigkeit eines Arzneimittels demnach durch die Vorlage einer Erklärung des Arzneimittelherstellers oder des Großhändlers nachweisen.
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