Interview Stiftung Warentest

"Apotheken-Dachmarken garantieren keine Qualität" APOTHEKE ADHOC, 22.04.2010 15:21 Uhr

Berlin - 



Die Vor-Ort-Apotheken sind mit mittelmäßigen Ergebnissen durch den neuen Test von Stiftung Warentest geschlittert, die Versandapotheken sind untergegangen. Verbesserungsbedarf sehen die Verbraucherschützer vor allem bei der Beratung. APOTHEKE ADHOC sprach mit Hubertus Primus, Chefredakteur von Stiftung Warentest, über die Schwachstellen von Apotheken, den Nutzen von Dachmarken und rosinenpickende Versandapotheken.



ADHOC: Was macht eine gute Apotheke aus?

PRIMUS: Bei unserem Test ist eine Apotheke gut, wenn sie Wechselwirkungen von Medikamenten erkennt. Dazu hatten wir drei Fälle: Ein dreijähriges Kind mit Fieber; welches Mittel sollte man geben? Ein älterer Herr fragt nach einem Nahrungsergänzungsmittel, das zu seinem gesundheitlichen Zustand aber nicht passt. Und eine ältere Dame mit Inkontinenzproblemen. Wenn diese Fragen sachkundig beantwortet werden, ein vernünftiger Tipp gegeben wird, hat eine Apotheke gut beraten. Und wenn als Krönung, eigentlich als Selbstverständlichkeit, eine Rezeptur - das ureigene Handwerk des Apothekers - angefordert und dann auch ordnungsgemäß gefertigt wird, ist es eine gute Apotheke.



ADHOC: Wo liegen die größten Defizite?

PRIMUS: Die Apotheken haben die größten Schwierigkeiten bei der Medikamentenberatung, also Wechselwirkungen zu erkennen. Auch bei den Beratungsfällen gibt es Defizite, insbesondere auch mit der Diskretion. Da fehlt einfach in der Vor-Ort-Apotheken die Möglichkeiten, sich vernünftig, diskret beraten zu lassen. Mit der Rezeptur hat es eigentlich ganz gut geklappt. Im Gegensatz zum letzten Test.



ADHOC: Können Apotheken-Dachmarken Qualität garantieren?

PRIMUS: Die Kooperationen treten teilweise als Marken auf. Sie können noch keine Qualität garantieren. Die Ergebnisse streuen dermaßen breit, dass wir über keine Kooperation sagen konnten, dass sie zu einer verbesserten Qualität führt. Wir konnten aber erkennen, dass die Preise in Bewegung gekommen sind. Es gibt Apotheken, die vor Ort deutlich günstigere Preise haben und sogar Versender in Einzelfällen unterbieten.



ADHOC: Welche Probleme haben Versandapotheken?

PRIMUS: Bei den Versandapotheken ist eine ausgesprochen schlechte Beratungsleistung zu beklagen. Das lag noch deutlich unter dem, was die Vor-Ort-Apotheken gemacht haben: Vier Versender konnten überhaupt keinen Fall der Wechselwirkungen lösen, genauso verhält es sich mit den Beratungen in unseren Einzelfällen. Auch die Rezeptur, die auch Versandapotheken anbieten müssen, wurde in acht Fällen überhaupt nicht hergestellt. Das war ein ganz schwaches Ergebnis. Ganz gut geklappt hat bei den Versandapotheken der Service, also der Medikamentenversand. Das war angemessen, das war gut.



ADHOC: Sind Versandapotheken Rosinenpicker?

PRIMUS: Versandapotheken sollten sich nicht nur teure Medikamente aussuchen, sondern zum Beispiel auch Rezepturen herstellen, auch wenn das aufwendig ist und die Gewinnmargen gering sind. Das Motto darf nicht lauten: „Massenware oder Ware, wo wir gut verdienen können, per Versand, die Beratung macht der Kollege vor Ort.“ Das kann natürlich nicht die Aufgabe sein, sondern sie müssen sich auch dem Beratungsauftrag stellen. Wir haben ein bisschen den Eindruck, dass die Versandapotheken sehr schlanke Strukturen haben und sich um diese Beratungsleistung herumdrücken, denn da sind sie schlechter geworden gegenüber dem letzten Test.



ADHOC: Fehlen Kontrollen für ausländische Versender?

PRIMUS: Wir hatten drei niederländische Versender im Test, der Rest der 23 Versandapotheken kam aus Deutschland. Also wenn die Apothekerkammern 20 von 23 etwas besser auf die Finger schauen und da die Qualität verbessern, wäre das schon den Schweiß der Edlen wert.



ADHOC: Sind sie mit dem Ergebnis zufrieden?

PRIMUS: Natürlich ist es so, dass die Welt nicht perfekt ist und dass es nicht nur gute Apotheken geben kann. Trotzdem sind uns sieben von 27 vor Ort-Apotheken mit der Note „gut“ etwas zu wenig, zumal die gestellten Fälle nicht unlösbar waren, sondern einen mittleren bis leichten Schwierigkeitsgrad hatten. Also da gibt es noch eine Menge zu tun. Das Ergebnis bietet jedenfalls keinen Anlass, sich darauf auszuruhen.