Während Adexa und die Tarifgemeinschaft Nordrhein (TGL) noch auf die Apothekenreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und damit auf die seit 20 Jahren ausstehende Honoraranpassung warten, sorgt Bundeskanzler Olaf Scholz für klare Verhältnisse. PKA und PTA freut’s: „Endlich Mindestlohn!“, jubeln sie.
Na also! Wozu hat man eine SPD-geführte Regierung, wenn nicht endlich flächendeckend die Gehälter angehoben werden? „Ich bin klar dafür, den Mindestlohn erst auf 14 Euro, dann im nächsten Schritt auf 15 Euro anzuheben“, so Scholz’ Ansage im „Stern“ in dieser Woche. Und am besten auch gleich noch die Vier-Tage-Woche für alle. Das Leben ist schön.
Was Scholz schuldig blieb, war die Antwort auf die alte Frage: „Wer soll das bezahlen?“ Hatte die Politik beim Corona-Bonus ja auch schon nicht interessiert. Muss die Wirtschaft eben ein bisschen flotter wachsen. Wurden doch immerhin 1,3 Milliarden Überstunden im vergangenen Jahr geleistet. „Wer da von Faulheit spricht, hat aus meiner Sicht nicht mehr alle Latten am Zaun.“ Gemeint war natürlich die FDP, die wegen des Fachkräftemangels gerne auch die Rente mit 63 streichen würde. Bürgergeld sowieso.
Obwohl diametral zueinander, kommen nun beide Positionen aus derselben Regierung. Und was beide Parteien nicht vorzuweisen haben, ist eine Lösung für die Probleme. Beispiel Apotheken: Keine Inhaberin und kein Inhaber gönnt seinen Mitarbeitenden nicht die verdiente Gehaltserhöhung, schon wegen des Fachkräftemangels kann man sich Absagen eigentlich gar nicht leisten. Aber leisten kann man sich auch keine großen Gehaltssprünge mit einem Honorar, das seit 20 Jahren eingefroren ist.
Umso erstaunlicher ist die Vehemenz, mit der die plausiblen Forderungen nach einer Anpassung negiert werden. Irgendwas von Umverteilung steht im Raum, vielleicht auch noch ein bisschen mehr für Notdienste und einen Schnaps obendrauf für das gerade wegfallende Skonto. Aber eine echte Honoraranpassung – gar um die einmal von der Abda geforderten 50 Prozent – scheint völlig ausgeschlossen. Weder SPD noch FDP lassen erkennen, dass dafür in diesem Jahrhundert irgendeine Gelegenheit käme. Oder um es mit Scholz zu sagen: Ihr habt doch nicht alle Pfosten an der Einfriedung!
Dabei hatte Robert Habeck als Spitzenvertreter der dritten Koalitionspartei in dieser Woche selbst die perfekte Herleitung für eine Anpassung geliefert: „Wenn es einen Deckel gibt, dann muss er atmen. Denn bei steigenden Kosten wird es sonst immer schlimmer. Wenn man über Jahre hinweg gar nichts tut, ist das nicht im Sinne des Erfinders.“ Allerdings: Das Apothekenhonorar hatte der Wirtschaftsminister dabei nicht im Sinn, sondern eher die AMNOG-Preise. Und Lauterbach versprach den Herstellern bei derselben Gelegenheit den Beginn eines goldenen Zeitalters.
Hätte man auch nicht gedacht, dass ausgerechnet SPD und Grüne die allzu lange geschundene Pharmaindustrie einst wieder aufpäppeln würden. Sie erst mit Lob überschütten würde, weil sie so innovativ und überraschend weiblich ist, und dann mit Zugeständnissen und auch noch Geld. Absolut gegönnt natürlich – aber was hat deren Lobby zuletzt eigentlich so erfolgreich gemacht? Waren es die Lieferengpässe? Waren es die Auslistungen und Abwanderungen? Waren es die Abnehmspritzen?
Bei den Apotheken dagegen scheint die Zeit der Erkenntnis noch weit entfernt zu sein, auch wenn sich die Problemschilderungen 1:1 übertragen ließen. Man hat sogar den Eindruck, dass diese Branche gezielt abgewirtschaftet wird. Kleiner Tipp an die Mitglieder im Gesundheitsausschuss: Einfach mal eine kleine Bildungsreise nach Großbritannien antreten!
Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening spricht gerne vom Strom aus der Steckdose. Aber es ist eher wie mit den Schienen oder den Brücken: Das System wird offensichtlich auf Verschleiß gefahren, bis es irgendwann gar nicht mehr zu gebrauchen ist. Aber mit der maroden Infrastruktur müssen sich dann irgendwann andere herumschlagen.
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