Eine Apothekerin muss sich vor dem Amtsgericht Wolfratshausen gegen den Vorwurf fahrlässiger Körperverletzung verteidigen. Sie soll beim Verblistern Clonazepam und Clozapin verwechselt haben. Ein Heimbewohner hatte einen 15-minütigen Krampfanfall erlitten und wurde auf die Intensivstation des Kreiskrankenhauses eingeliefert.
Der betroffene Heimbewohner ist mehrfach behindert und erleidet regelmäßig Krampfanfälle. Im Dezember 2013 war der Anfall aber nicht – wie üblich – nach wenigen Minuten vorbei gegangen. Das Heim verständigte den Notarzt. Nach wenigen Tagen kam der Mann zurück in die Einrichtung, bleibende Schäden hat er nicht davon getragen.
Gegen die Apothekerin aus Bad Tölz, die das Heim mit verblisterten Arzneimitteln versorgt, wurde Strafbefehl gestellt. Sie soll das falsche Medikament abgegeben haben, statt des krampflösenden Clonazepam das Präparat Clozapin Hexal – mit der häufigen Nebenwirkung Krampfanfälle. Seit Anfang Dezember verteidigt sich die Apothekerin vor dem Amtsgericht, heute wird der Prozess fortgesetzt.
Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob der Patient überhaupt das falsche Arzneimittel eingenommen hat. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung (SZ) erklärte ein Gutachter am zweiten Verhandlungstag, dass ein logischer Zusammenhang zwischen der Einnahme von Clozapin und dem ungewöhnlich heftigen Anfall des Epileptikers bestehe. Eine Verwechslung der beiden Wirkstoffe bezeichnete er als „Super-GAU“: Da Clozapin gefährliche Nebenwirkungen habe, müsse die Einnahme streng kontrolliert werden. Gleichzeitig dürfe Clonazepam bei Epileptikern nicht plötzlich abgesetzt werden, da sonst die Gefahr eines Anfalls bestehe.
Eine Heimmitarbeiterin sagte in dem Verfahren aus, auf den Blistern seien der Medikamentenname oder der Wirkstoff aufgeführt gewesen. Bei der Kontrolle sei ihr nicht aufgefallen, dass etwas nicht stimmen könne. Erst später habe sie bemerkt, dass die Tabletten nicht gelb, sondern orange waren. Die Blisterverpackung habe sie mit ins Krankenhaus gegeben. Der damalige Oberarzt für Kardiologie erklärte laut SZ, er habe nur gewusst, dass es sich um eine Medikamentenverwechslung gehandelt haben soll. Ein Neurologe habe die Medikation überprüft.
Die Apothekerin schließt laut SZ Fehler bei der Abgabe aus: Der Blister-Automat lese die Rezepte automatisch ein und gleiche diese mit dem Medikationsplan ab, erklärte ihr Anwalt. Bei Unstimmigkeiten blinke der Automat. Jeder fertige Blister werde fotografisch abgeglichen, Farbe und Form der Tabletten würden erfasst. Die Mitarbeiter kontrollierten nach.
Allerdings sagte eine PKA, die bis Mitte 2013 in der Apotheke gearbeitet hatte, aus, nie Rezepte, sondern nur Medikamentenpackungen eingescannt zu haben. Manche Arzneimittel habe sie von Hand in den Automaten einlegen müssen.
Laut SZ war das Heim mit den Blisterlieferungen aus der Apotheke ohnehin nicht zufrieden: Wiederholt sollen Mitarbeiter Fehler festgestellt haben. Mal soll die Menge nicht gestimmt, mal falsche Präparate verblistert worden sein. Die neue Heimleiterin, seit 2014 im Amt, hat den Vertrag mit der Apotheke inzwischen gekündigt. Sie legte dem Gericht einen Ordner vor, in dem Probleme bei der Medikamentenzusammenstellung dokumentiert wurden.
Aber auch im Heim lief nach SZ-Informationen nicht alles glatt: Die Führungsfrage war im Dezember 2013 ungeklärt. Und eine Mitarbeiterin des verantwortlichen Landratsamtes erklärte, es habe in den Einrichtungen der Behindertenhilfe immer wieder kleinere Probleme bei der Medikamentenausgabe gegeben, weil dort neben ausgebildeten Pflegern auch pädagogische Fachkräfte tätig gewesen seien, denen die Fachkenntnis fehle. Wer in dem betroffenen Heim welche Verantwortung getragen habe, habe sie nicht bestimmen können.
Fraglich ist aber nicht nur, ob tatsächlich ein Medikament verwechselt wurde, sondern auch, wer in diesem Fall die Verantwortung trägt und ob die Folgen vorhersehbar waren – also fahrlässig gehandelt wurde. Sechs weitere Zeugen sollen nun verhört werden. Der Apothekerin, der ein Verstoß gegen ihre Sorgfaltspflicht vorgeworfen wird, droht einer Gerichtssprecherin zufolge eine Geldstrafe von bis zu 40 Tagessätzen.
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