Protestaktion „Brennende Apotheke“ Alexander Müller, 04.03.2023 08:01 Uhr
Briefe schreiben, Kittel schicken, Selfies machen? Alles ehrenwerte Protestaktionen, um auf die Situation der Apotheken aufmerksam zu machen. Aber das wird nicht reichen, um die Politik zum Einlenken zu bringen. Deswegen steht am Ende der Eskalationstreppe die Aktion „Brennende Apotheke“. Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt läuft jetzt das Auswahlverfahren.
„Eigentlich wollte ich erst in drei Jahren zumachen“, berichtet Apotheker Robert Herzig. Das hat er jetzt vorgezogen, genug Brennspiritus hatte er glücklicherweise noch im Haus. Ist ja für einen guten Zweck. Protest muss sein, und radikal findet Herzig gut. Während er vor seiner lichterloh brennenden Apotheke steht, bildet sich eine kleine Menschenmenge um ihn. „Ja, seht her, das passiert, wenn man am niedrigschwelligen Versorgungssystem zündelt“, ruft Herzig den Schaulustigen zu und wischt sich mit dem letzten Kittel den Ruß von der Stirn.
Zu uns geneigt sagt er halblaut: „Einen Nachfolger hätte ich eh nicht gefunden. Und für die Einrichtung hätte ich auch nichts mehr gekriegt. Wie? Das Lager? Ach, da war doch eh fast nichts verfügbar.“ Aus der Ferne ist ein Martinshorn zu hören. „Ihr kommt zu spät“, ruft Herzig dem Tatütata entgegen. Und etwas leiser und bitterer: „Dreizehn verpasste Honorarreformen zu spät.“ Ein brennendes Blutdruckmessgerät wird durch die zerborstene Schaufensterscheibe auf den Parkplatz geschleudert. „Pharmazeutische Dienstleistungen für ALLE!“, ruft Herzig. Die Presse hat fantastische Aufnahmen, Herzig hatte sie alle eingeladen.
Die Resonanz auf die Aktion ist so riesig, dass im nächsten Eskalationsschritt neun weitere Apotheken öffentlichkeitswirksam abgefackelt werden sollen. Die Abda unterstützt die pyrolytische Marktbereinigung mit einem Zuschuss: 20.000 Euro gibt es, wenn die Apotheke „nach einem zünftigen Großbrand definitiv nie mehr den Anforderungen gemäß §4 ApBetrO genügen wird“. Interessierte Inhaber:innen können sich über das Portal „mein-apothekenmanager“ bewerben. Die Apothekengewerkschaft Adexa weist darauf hin, dass sie zwar „Feuer und Flamme für diese zündende Idee“ ist, Angestellte aber nicht ungefragt Feuer in der Apotheke legen dürfen.
Wir vermuten, dass standespolitische Brandstiftung NICHT WIRKLICH zum Eskalationsplan der Abda zählt. Der soll aber natürlich noch nicht im Detail verraten werden und wird hoffentlich über Selfies mit Patient:innen hinausgehen. Apotheker an der sogenannten Basis sind jedenfalls zum Protest bereit und rufen einen lauten „Aufwachen“-Appell in die Notdienstzimmer der Kolleg:innen.
Ihre Forderungsseite hat die Abda immerhin schon bekannt gegeben: Zehn Wünsche stehen auf dem Zettel, allerdings ohne Zeitangabe (Analyse im Podcast). Falsche Bescheidenheit kann man der Standesvertretung diesmal jedenfalls nicht vorwerfen: Statt der lächerlichen 50 Cent für das Engpass-Management sollen 21 Euro fließen. Das könnte nach Durchzählen der Sonder-PZN richtig teuer werden.
Die Kassen finden, dass die Apotheken eigentlich gar nichts extra bekommen müssten. Viel besser wäre es aus ihrer Sicht, die Abverkäufe und die Vorratshaltung zu kontrollieren. Die Ärzte sind hellhörig geworden und fordern eine eigene Engpassprämie für sich. Und ihren Vorstand haben sie auch neu gewählt.
Die Abda hat sich in ihrer Stellungnahme zum Generikagesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch einmal für eine Verstetigung der Corona-Sonderregelungen eingesetzt, de facto eine Aushebelung des Rahmenvertrags. Und zum Gendern in der Packungsbeilage hat sie auch einen Vorschlag unterbreitet.
PTA treibt mehr die Frage um, was sie nach der PTA-Reform überhaupt noch ungefragt dürfen und ob die Neuregelung mehr Ansporn oder Enttäuschung ist. Einige Kammern bieten bereits Zertifikate an und laut der Berliner Kammer bleibt auch die Abzeichnungsbefugnis bestehen. Immerhin.
Was gibt es aus dem Markt noch zu berichten? Bei Noventi sind wieder ein paar prominente Köpfe weg, dafür bekommt easyApotheke einen neuen Eigentümer. Und Infectopharm verspricht Nachschub bei Fiebersäften. Vielleicht ist ja irgendwann Schluss mit der Notvorratshaltung für den Notdienst. Bis dahin: Durchhalten! Was das Feuerlegen betrifft ein dringender Appell aus dem Struwwelpeter-Universum: @Paulinchen: Lass‘ das Feuerzeug liegen! Miau! Mio! Schönes Wochenende!