Protest vor laufenden Kameras, vor Zuschauer:innen, die nicht damit gerechnet haben. Mediale Aufmerksamkeit, die es so noch nicht für die Apothekerschaft gegeben hat. Dass ist das, was Apothekerinnen und Apotheker jetzt brauchen. Diese Aufmerksamkeit bekommt man aber nicht einfach so. Ein paar findige Kolleg:innen haben klammheimlich ihre Demonstration ins Live-TV verlegt. Mit dem passenden Aufschlag.
Die meisten Apotheker:innen sind ohne Frage gegen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und dessen Gesundheitspolitik. Und auch Moderator Günther Jauch wird seit seiner Werbepartnerschaft mit Redcare immer mehr zur Persona non grata. Als sich nun auch noch Lauterbach für ein „Promi-Spezial“ ankündigt, wittert eine Gruppe ihre Chance und ruft zur Demo im „Wer wird Millionär?“-Studio auf.
Die Proteste des vergangenen Jahres sind Geschichte. Zwar zeigten die Apothekerinnen und Apotheker hier ungeahnte Präsenz und Geschlossenheit. Doch die Apothekenreform kommt aller Voraussicht nach doch eben genau so, wie Lauterbach sie sich ausgedacht hat. Auch die Abda ist sich über den möglichen Erfolg weiterer Demos uneins. Also müssen andere Formen des Protests her. Denn richtig streiken dürfen die Apotheker:innen nicht, das hat sogar schon Jauch gelernt.
Auf der Suche nach der passenden Form für kommende Aktionen spielt ausgerechnet ein TV-Sender der Apothekerschaft in die Karten: Jauch lädt zu einem seiner „Promi-Spezial“, Lauterbach wurde in die Quizsendung geladen und sagt auch noch zu. Also setzt eine kleine Gruppe von Apothekerinnen, Apothekern und ein paar PTA alles daran, genau in diese Sendung zu kommen. Sie schaffen es tatsächlich inkognito. Da kommt die 16.000-Euro-Frage: „Wer sichert trotz Engpässen und technischen Ausfällen die Arzneimittelversorgung?“ Die Antwortmöglichkeiten „Telekom“, „Gematik“, „Apotheken“ und „Bundesgesundheitsministerium“ verunsichern den Minister dann doch etwas.
„Ja, also eigentlich müsste das das Bundesgesundheitsministerium sein.“ „Sie können natürlich auch noch unser Publikum fragen“, versucht auch Jauch seinen Kandidaten in die Irre zu führen. „Na, vom BMG ist hier keiner. Und von der Gematik auch nicht. Aber vielleicht ist hier ja jemand aus einer Apotheke oder von der Telekom und kann helfen?“ Hilfe aus der Apothekerschaft bekommt Lauterbach ganz sicher nicht. Stattdessen haben die nun hell erleuchteten Leute im Publikum ihre Kittel und Schilder rausgeholt. Lauterbach und Jauch sind fassungslos. Ziel erreicht.
Doch einen medialen Aufschlag in dieser Form wird es wohl nicht geben. Stattdessen steht aber demnächst eine Pressekonferenz der Gesundheitsberufe an, die Apothekerschaft zeigt sich erneut an der Seite der Kassen- und Zahnärzteschaft sowie erstmals neben der Krankenhausgesellschaft. Doch was davon zu erwarten ist? Neue Plakate? Die Einladung der Abda zur Veranstaltung klingt, als hätte man selbst keine Lust drauf. Aber immerhin könnte eventuell, also sofern verschiedenste günstige Faktoren zusammenfallen, ganz vielleicht in den einschlägig bekannten TV-Nachrichtensendern von der Veranstaltung berichtet werden. Immerhin in Thüringen scheint sich etwas zu regen.
Im Oster-Spezial der Quizsendung gab es tatsächlich eine Frage mit Apothekenbezug. In Sachen Blutegel als Fertigarzneimittel konnte das Versender-Werbegesicht natürlich nicht Bescheid wissen, gibt's nämlich auch nicht so einfach per Post. Dafür half eine ehemalige Apothekenangestellte weiter und klärte auf. Kurz vorher kam es jedoch zu einer seltsamen Szene: Als das Publikum erleuchtet wurde und Lauterbach nach anwesenden Apothekern fragte, verließen Leute den Saal. Protest? Oder doch eher eine dringend benötigte Toilettenpause?
Währenddessen lässt sich Redcare für einen „starken Jahresauftakt“ feiern. Das E-Rezept sollte für die Versender der „Game Changer“ werden, die Finanzszene jubelt. Doch die ersten Quartalszahlen nach der verpflichtenden Einführung zeigen das totale Destaster: Gerade einmal 2 Millionen Euro mehr erwirtschaftete Shop Apotheke seit Januar im Rx-Bereich, und das trotz wieder eingeführter Boni und Werbung mit Jauch.
Statt Unterstützung auf breiter Front werden die Inhaberinnen und Inhaber derzeit auch noch Steine aus den eigenen Reihen in den Weg gelegt. Die Abda-eigene Agentur für Präqualifizierung (AfP) macht sich derzeit vor allem Feinde. Das Unternehmen macht den Eindruck, auf den letzten Metern noch einmal Kasse machen zu wollen, sogar für die Kündigung sollen die Apotheken zahlen. Der Hessische Apothekerverband (HAV) machte seinem Ärger darüber auch öffentlich Luft – während die anderen Verbände schweigen.
Aber vielleicht gibt es ja zumindest ab Donnerstag (besagte Pressekonferenz von Apotheker- und Ärzteschaft) wieder Rückenwind für die Apotheken. Oder neue Plakate zum ins Schaufenster hängen, während auch am Osterwochenende wieder Stichtag für viele Apothekenschließungen war.
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