Phagro-Chef André Blümel erklärt im Video-Interview mit APOTHEKE ADHOC, warum die Großhändler jetzt dringend eine Honorarreform benötigen – und warum er trotz leerer Kassen hofft, damit bei der Politik durchzudringen. Weitere Themen: das Direktgeschäft, das Apothekensterben und wie die Großhändler sich bei der Verteilung der Corona-Impfstoffe einbringen wollen.
Das vollständige Video-Interview finden Sie hier. Die wichtigsten Aussagen sind im Video an diesem Beitrag angehängt.
Die Großhändler beklagen einen stetigen Rückgang ihrer Marge. Blümel verweist darauf, dass das aktuelle Honorarmodell seit 2012 existiert, basierend auf Zahlen von 2010. Seitdem hätten sich aber die Strukturen dramatisch verändert. „Und damit ist auch das bestehende Vergütungssystem in eine Schieflage geraten, hier haben wir einen Reformbedarf.“
Der Phagro hatte sich vor zehn Jahren selbst dafür eingesetzt, dass das Honorar analog zur Vergütung der Apotheken umgestellt wird und einen fixen Anteil enthält. Seit dem AMNOG (Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz) erhalten die Großhändler 3,15 Prozent auf den Abgabepreis des Herstellers zuzüglich einer Fixpauschale von 70 Cent pro Rx-Packung. Das Honorar ist aber bei 37,80 Euro gedeckelt. Weil es immer mehr extrem hochpreisige Arzneimittel gibt, sinkt die Marge.
Blümel sieht es aber nicht als Fehler an, dass sich der Phagro seinerzeit für dieses Kombimodell eingesetzt hat. Man sei schließlich davon ausgegangen, dass das Honorar regelmäßig überprüft werde. „Diese dramatische Veränderung war nicht vorherzusehen. Und nach einer Dekade ist es an der Zeit, sich die Vergütung anzuschauen, zu überprüfen und den Gegebenheiten anzupassen.”
In Gesprächen mit der Politik nimmt Blümel schon eine Bereitschaft wahr, sich das Honorarsystem noch einmal anzuschauen. Das beherrschende Thema sei aber natürlich derzeit die Corona-Pandemie. „Aber sehr zeitnah wollen wir natürlich auch das andere Thema in Angriff nehmen und mit unseren Vorschlägen auf die Politik zugehen“, kündigte Blümel an. Die Rolle der Großhändler bei der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sei in der Krise noch einmal deutlich geworden. „Ich denke, das ist eine gute Grundlage, dann auch über eine Anpassung der Vergütung zu reden, die für uns überfällig ist.“ Ein konkretes neues Modell habe man aber bislang noch nicht präsentiert.
Die Marge der Großhändler hängt maßgeblich auch vom Direktgeschäft der Apotheken ab. Dessen Anteil ist aber Blümel zufolge relativ stabil ist. Natürlich hätten die Großhändler gerne 100 Prozent des Marktes für sich, so Blümel, das wäre aus Sicht des Phagro-Vorsitzenden auch effizienter: „Je mehr Volumen über eine bestehende Infrastruktur distribuiert wird, desto günstiger wird das Gesamtsystem.“ Tatsächlich gaben bei einer aposcope-Umfrage viele Apothekeninhaber:innen an, aufgrund der Corona-Krise die Direktbestellungen zurückgefahren zuhaben. Diese Tendenz nimmt man auch beim Phagro wahr.
Zusätzliches Geschäft können die Großhändler auch bei der demnächst anstehenden Distribution der Corona-Impfstoffe an die Praxen erwarten. Bei der Verteilung über die Apotheken an die Praxen wollen die Großhändler ihren wertvollen Beitrag leisten, kündigte Blümel an. „Natürlich ist das ein wichtiges Geschäftsfeld.“
Thema Apothekensterben: Seit Jahren geht die Zahl der Apotheken zurück. Blümel erklärt, warum das für die Großhändler wirtschaftlich auch Vorteile hat: „Für unsere Mitgliedsunternehmen heißt das: Weniger Distributionsplätze, denn das Mengenvolumen ändert sich ja nicht.“ Blümel weiter: „Von Nachteil ist es in diesem Fall nicht, dass wir weniger Distributionsplätze anfahren müssen. Aber nichtsdestotrotz bedauern wir und unsere Mitgliedsunternehmen das natürlich.“ Jede Apotheke, die in einem Ort schließt, sei ein Präsenzpunkt in der Fläche weniger. „Insofern ist die Entwicklung bedauerlich“. Einen Einfluss auf das Niederlassungsnetz der Großhändler habe diese Entwicklung aber bislang nicht.
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