Apotheker in Erklärungsnot: Kaum war der Engpass der Ibuprofen-haltigen Säfte zu 4 Prozent überwunden, folgten die nächsten Lieferprobleme. Seit Wochen fehlt das nicht-steroidale Antirheumatikum (NSAR) zu 600 mg. Über die Gründe lässt sich am HV nur spekulieren. Betroffen sind vor allem Packungen zu 20 beziehungsweise 50 Tabletten.
Wie Kollegen im gesamten Bundesgebiet stehe auch er derzeit vor einer „extra nervigen Aufgabe“, sagt ein Kollege aus Hessen. „Dass Ibuprofen mal nicht lieferbar ist, hätte ich nicht gedacht“, erzählt er. Zwar könne er den Arzneistoff nicht aus dem Stegreif und unter Reinraumbedingungen herstellen. Aber im Handverkauf herrsche Erklärungsnot, denn Großhändler und Hersteller teilten die Ursache oft nicht mit.
Die Firmen geben „die Rohstoffknappheit für Ibuprofen“ als Ursache für den Engpass an. Ratiopharm teilt mit, „den vorhandenen Rohstoff ausgewogen auf die verschiedenen Wirkstärken zu verteilen“. Hexal bestätigt die Aussage des Konkurrenten: „Der Grund für den Engpass bei Ibuprofen 600 ist tatsächlich die Verfügbarkeit des Wirkstoffes. Der ist in diesem Jahr leider sehr knapp. Wir hoffen jedoch, bald wieder voll lieferfähig zu sein.“
Wer genau der Verursacher sein soll, wird nicht kommuniziert. Tatsache ist, dass der Weltmarkt für Ibuprofen beherrscht wird von Xinhua Pharmaceutical (China), Shasun (Indien), Xinhua-Perrigo Pharmaceutical (USA/China), BASF (Deutschland/USA), IOLCP (Indien), SI Group (USA), Granulat Biocause (China) und Hisoar (China). Im Juli 2017 hat BASF auf die weltweit gestiegene Nachfrage nach Ibuprofen reagiert. Am Standort Ludwigshafen entsteht die erste World-Scale-Produktionsanlage für Ibuprofen in Europa, 2021 soll sie in Betrieb gehen.
Für Apotheker ist die Vorstellung „grotesk, wie viele Firmen sich von einem Rohstofflieferanten abhängig machen“. Auf jeden Fall muss eine schnelle Lösung her, denn für sie bedeutet der Engpass Mehrarbeit und Retaxfalle. Apotheker wären nicht Apotheker, wenn sie sich nicht zu helfen wüssten. „Wir haben die Packung zu 100 Tabletten bestellt und einzeln aus, das ist aber auch nur eine Notlösung“, erzählt der hessische Apotheker. Und so wurden Packungsbeilagen kopiert, um die einzelnen Blister abgeben zu können.
Die Rezepte würden entsprechend mit der Sonder-PZN und dem Faktor 2 (rabattbegünstigtes Arzneimittel nicht lieferbar) bedruckt und ein entsprechender Vermerk vorgenommen. So soll einer späteren Retaxation vorgebeugt werden. Zwar dürfen Apotheker bei Nichtverfügbarkeit von Rabattarzneimitteln unter Verwendung der Sonder-PZN und Faktor 2 auf eines der drei preisgünstigsten Medikamente oder einen Import ausweichen. Jedoch dürfen diese nach §4 Absatz 4 Rahmenvertrag nicht teurer sein als das verordnete Präparat. Sonst droht die Retax. In diesem Fall muss ein neues Rezept eingeholt werden.
Einige Apotheken hatten noch Glück und konnten in der vergangenen Woche Direktware ergattern. Auch einige Großhändler sind noch nicht ganz leer gelaufen und können vereinzelt Packungen liefern. Was in den Apotheken bleibt, sind fragende Gesichter – vor und hinter dem Tresen. Denn nicht jeder Kunde versteht, warum in deutschen Apotheken plötzlich lose Blister verteilt werden.
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