Der Patentstreit um Lyrica (Pregabalin) könnte in der Offizin zum Problem werden. Das Antiepileptikum ist in zwei Indikationen generisch verfügbar, zur Anwendung bei neuropathischen Schmerzen aber noch geschützt. Winapo-Anwender erhalten bereits einen Warnhinweis, der Deutsche Apothekerverband (DAV) prüft den Fall noch. Im schlimmsten Fall müssten die Mitarbeiter am HV-Tisch künftig die Indikation abfragen.
Auf den ersten Blick könnte den Apothekern der Patentstreit einerlei sein. Denn auf dem Rezept steht generell keine Indikation, und Apotheker sind gesetzlich auch nicht zur Abfrage verpflichtet. Doch schon 2009 standen die Pharmazeuten zwischen den Fronten: Im Zusammenhang mit den Rabattverträgen wurde diskutiert, ob für den Austausch der Indikationsbereich deckungsgleich sein muss.
Bereits eine Überschneidung im Anwendungsgebiet sei ausreichend, um Rabattverträge zu bedienen, beendete das Bundesgesundheitsministerium (BMG) seinerzeit die Debatte. Insofern ergäben sich keinerlei haftungsrechtliche Konsequenzen für die Apotheker.
Doch zur gleichen Zeit kam das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) in einem Streit um Clopidogrel zu einem ganz anderen Ergebnis: Apotheker seien gemäß Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) verpflichtet, eventuelle Unklarheiten – etwa durch Rücksprache mit dem verordnenden Arzt – vor der Abgabe zu beseitigen. Der Apotheker müsse sich „Gewissheit darüber verschaffen, dass das ausgewählte preisgünstige Arzneimittel für die der Verschreibung zugrunde liegende Indikation zugelassen ist, um einen unter dem Aspekt der Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels unzulässigen Off-label-Use zu verhindern“, hieß es in dem Urteil.
Die Richter bezogen sich auch auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2002. Demnach darf der Apotheker ein Medikament nicht für andere Zwecke anbieten oder verkaufen, als der Hersteller in der Fach- beziehungsweise Gebrauchsinformation genannt hat. Um die Zulassungspflicht nicht auszuhöhlen, müsse ein Off-Label-Use auf Fälle beschränkt bleiben, in denen „einerseits ein unabweisbarer und anders nicht zu befriedigender Bedarf an der Arzneitherapie besteht und andererseits die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlung hinreichend belegt sind“, hieß es zur Begründung.
Herstelller dürften ihre Präparate gegenüber den Fachkreisen daher nur für die von der Zulassung erfassten Indikationen bewerben. „Der Apotheker seinerseits darf es nicht für andere Zwecke anbieten oder verkaufen.“
Die ABDATA hat die Forderung des Konzerns nach einem Warnhinweis in der Apotheken-EDV bislang nicht umgesetzt. Bei Lauer-Fischer ist Pfizer dagegen mit seinem Argument auf Gehör gestoßen, dass eine fehlende zusätzliche Information der Leistungserbringer hinsichtlich der Patentsituation zu einer mittelbaren Patentverletzung führen könne. Seit 1. August wird in der Software die Austauschbarkeit infrage gestellt.
Ob dieser Hinweis die Apotheker zur Nachfrage verpflichtet, ist derzeit unklar. Offen ist auch, welche Handhabe Pfizer hätte, um seine Interessen durchzusetzen. Bei der Abrechnung wird schließlich ebenfalls nicht in Indikationen gedacht.
Noch verhandeln Pfizer, DAV und GKV-Spitzenverband, wie im Fall von Lyrica mit der Indikation und dem Patentschutz umzugehen ist. Bislang gab es keinen vergleichbaren Fall; allen Beteiligten sei bewusst, dass die Patentsituation in ausreichender Weise gewürdigt werden müsse – auch wenn eine kurzfristige Lösung nicht ohne weiteres umsetzbar sei, heißt es aus Verhandlungskreisen.
Laut Arzneiverordnungsreport stand das Antiepileptikum 2013 mit 2,4 Millionen Verordnungen im Wert von 281 Millionen Euro zu Apothekenverkaufspreisen auf Platz 26. Hierzulande wurde Lyrica 2004 eingeführt, das zusätzliche Patent war zwei Jahre nach dem ursprünglichen erteilt worden und gilt damit bis Juli 2017.
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