Praktisches Jahr

„Apotheker vergraulen ihren Nachwuchs“

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Berlin -

Famulatur und Praktisches Jahr (PJ) gehören fest zur Apothekerausbildung. In den Praktika sollen die Studenten laut Approbationsordnung „mit den pharmazeutischen Tätigkeiten vertraut gemacht werden“. Im PJ sollen zusätzlich Studienkenntnisse „vertieft, erweitert und praktisch angewendet werden“. Das klingt sinnvoll – aber läuft nicht immer reibungslos. Christian Roth, Fachschaftsmitglied der Universität Regensburg und Mitglied im internationalen Verband der Pharmaziestudierenden (IPSF), erklärt im Interview mit APOTHEKE ADHOC, mit welchen Sorgen und Wünschen die Pharmaziestudenten in den praktischen Teil ihrer Ausbildung gehen.

ADHOC: Wie steht es um die praktische Ausbildung zum Apotheker?
ROTH: Mein derzeitiger Eindruck ist, dass einige Apotheker ihren eigenen Nachwuchs in den Praxisphasen vergraulen – und das in Zeiten des Fachkräftemangels. Famulatur und PJ sollen auf die Arbeit in der Offizin und andere pharmazeutische Tätigkeitsbereiche vorbereiten und einen direkten Einblick vermitteln. Diese Apotheker müssten nur einmal wieder einen Blick in die Approbationsordnung werfen, denn dort steht, wofür die Praktika jeweils gedacht sind. Das auch zur Kritik mancher Apotheker, dass die PhiP ja nicht einmal direkt am HV eingesetzt werden könnten.

ADHOC: Welche Probleme gibt es mit der Famulatur?
ROTH: Es ist zwar noch nicht die Mehrheit, aber eine Vielzahl der Studierenden ist unzufrieden mit der Famulatur. Bei uns in der Fachschaft Regensburg haben sich schon einige Studenten beschwert, dass sie während der vier oder sogar acht Wochen nur Regale wischen durften und keinen Einblick in den echten Offizinalltag bekommen haben. Eigentlich wollten sie Beratungsgespräche mitverfolgen, Rezepte abrechnen und lernen, wie man ganz allgemein als Apotheker arbeitet. Manche Studenten haben mir gesagt, ihnen wurde oft das Gefühl vermittelt, sie seien ein Klotz am Bein; und das leider mit steigender Tendenz. Bei dieser Behandlung durch die approbierten Apotheker geht vielen Pharmaziestudenten die Motivation für ihr Studienfach verloren. Eine Motivation, die in den anstregenden Phasen des Studiums durchaus wichtig ist.

ADHOC: Was ist mit dem PJ?
ROTH: Einzelne Kommilitonen und Freunde haben mir erzählt, dass sie während ihres PJ teils unter Tarif bezahlt wurden. Unter der Hand ist das wohl möglich, aber glücklicherweise nicht der Standard. Vereinzelt wurde von ihnen auch verlangt, dass sie für ihre begleitenden Unterrichtsblöcke Urlaubstage nehmen. Das ist gegen die Regularien des PJ. Viele meiner Kommilitonen haben Angst davor, im PJ ins kalte Wasser geschmissen zu werden. Sie haben sich zum Beispiel explizit vorher versichern lassen, dass sie die ersten drei Wochen nicht allein hinter dem HV-Tisch stehen und Beratungsgespräche ohne Hilfe führen müssen. Wir wollen keine Fehler machen, wenn wir das erste Mal Kunden beraten, sondern uns und unseren Berufsstand von der besten Seite präsentieren.
Jedoch wird oftmals vergessen, dass wir auch nach abgeschlossenem Studium noch in der Ausbildung zum Apotheker sind. Nach dem Studium haben wir in der Beratung normalerweise noch keine Erfahrung, zumal an mehreren Instituten der Lehrstuhl für klinische Pharmazie unterbesetzt ist oder nicht existiert. Apotheker, die ihre Approbation vor vielen Jahren gemacht haben, wirken oft ahnungslos und desinteressiert, wie es heutzutage an der Universität aussieht. Ich denke, auch das ist ein Grund für die Probleme. Es sind zwei verschiedene Welten, die aufeinander treffen.

ADHOC: Was sind die Folgen?
ROTH: Neben den allgemeinen Rahmenbedingungen ist es auch den weniger engagierten Ausbildern zuzuschreiben, wenn sich immer mehr Pharmaziestudierende gegen eine Laufbahn in der öffentlichen Apotheke entscheiden und etwa in die Wirtschaft abwandern. Wenn es einem Apotheker gelingt, den PhiP für die Offizin zu begeistern, dann wird der sich auch eher für diese Laufbahn entscheiden – trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten. Es ist wichtig, dass die Ausbildungsapotheker die Faszination für den Beruf stärken. Dabei ist es sehr motivierend, wenn man merkt, dass ihnen daran gelegen ist, dass man etwas lernt. Die Apotheker sollten sich wieder mehr daran erinnern, dass sie ihre eigenen Nachfolger und Mitarbeiter ausbilden. Und es gibt ja dieses Sprichwort, dass ein Schüler nur so gut sein kann wie sein Lehrer. Das trifft schon zu, denke ich. Bei allem Stress und Widrigkeiten, unter denen die Apotheker heute stehen, sollte dennoch zumindest ein Mindestmaß an Erklärbereitschaft und Motivation gegeben sein.

ADHOC: Was sollte das PJ vermitteln?
ROTH: Im Studium geht es um die wissenschaftlichen und theoretischen Inhalte. Im PJ sollten wir dann lernen, dieses Wissen in der Praxis anzuwenden und dem Patienten verständlich zu machen. Erfahrene Apotheker oder PTA sollten uns zeigen, wie ein Kundengespräch geführt wird und so den qualitativen Standard weitergeben. Auch wie man mit den Apothekerdatenbanken wie Abdata umgeht, bei den Krankenkassen Rezepte einreicht und betriebswirtschaftliche Aspekte lernen wir an der Uni nicht. Das gehört meines Erachtens nach ins PJ.

ADHOC: Welche Apotheken leisten das?
ROTH: Wenn ich von anderen Studierenden gefragt werde, rate ich oftmals dazu, sich ein Praktikum in einer Landapotheke zu suchen oder außerhalb von Pharmaziestandorten. In den unter Studierenden beliebten Städten, gerade in den Universitätsstädten, gibt es oftmals so viele Bewerber, dass das Engagement gegenüber dem PhiP teils zu wünschen übrig lässt. Alle wollen dort in eine Apotheke – schon allein, damit sie sich keine neue Wohnung suchen müssen. Auf dem Land ist der Nachwuchsbedarf drängender. Daher setzen sich Landapotheker wohl meist engagierter in der Ausbildung ein. Auch mit dem Hintergedanken, dass sie auf diese Weise vielleicht einen Nachfolger finden. Das kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung bestätigen.

ADHOC: Ist die Bezahlung der Praktika kein Ansporn?
ROTH: Die Famulatur ist als Pflichtpraktikum prinzipiell unbezahlt und somit auch von der neuen Mindestlohnregelung ausgenommen. Aber manche Apotheker zahlen trotzdem eine kleine Aufwandsentschädigung und darüber freut man sich natürlich; es ist eine Anerkennung. Ich habe für meine vierwöchige Famulatur beispielsweise 400 Euro und außerdem Bücher für das Studium erhalten. Aber eine Bezahlung ist nicht unbedingt notwendig; bei einem motivierenden Ausbilder ist auch ein unbezahltes Praktikum kein Problem und macht Spaß. Wir verstehen auch, dass es manchen Apothekern finanziell nicht so gut geht, um einen Famulus zu entlohnen. Allgemein ist ein positives Klima noch viel wichtiger als eine gute Bezahlung und macht einiges wett.

ADHOC: Mit dem Tarifgehalt für das PJ kommt man auch nicht weit. Wie finanzieren sich Pharmaziestudenten in dieser Zeit?
ROTH: Das Thema Geld ist schon schwierig. Im PJ gelten wir nicht mehr als Studenten, daher kommen dann auch höhere Versicherungsbeträge auf uns zu. Generell könnte ich zusätzlich einen Studienkredit aufnehmen. Neben dem regulären Pharmaziestudium noch richtig zu arbeiten und so Geld – auch für später – zu verdienen, ist eigentlich unmöglich. Ich habe es im ersten und zweiten Semester versucht. Aber das schafft man meist nicht, zumindest nicht, ohne am Ende des Studiums mit Burn Out dazustehen.
Das Studium als solches ist schon sehr vollgepackt. Schon seit mehreren Jahren ist deshalb eine Verlängerung der Regelstudienzeit im Gespräch, damit wir für den Stoff und die Praktika mehr Zeit haben. Genauso wurde aber auch im letzten Jahr von Kammervertretern diskutiert, in dem Semester BWL-Fächer hinzuzufügen – das würde dann gar nichts entzerren. Alles in allem ist mit dem PJ-Gehalt schon meist ein Auskommen, aber knapp ist es trotzdem; gerade wenn den begleitenden Unterricht noch eine separate Unterkunft finanziert werden muss.

ADHOC: Ist die Bewertung ihrer Praktikumsplätze von den PhiP der richtige Weg?
ROTH: Ich halte das definitiv für eine gute Idee, weil dadurch die PhiP selbst zu Wort kommen. Die Kammern binden uns Studenten oftmals noch nicht genug ein, daher ist es wichtig, dass wir mehr auf uns aufmerksam machen. Ich finde es auch gut, dass es keine „Black List“ gibt; also keine Schwarze Liste, in der Apotheken veröffentlicht werden, die nicht empfehlenswert sind. Stattdessen werden nur die Apotheken aufgeführt, die einen gewissen Standard erreicht haben und bei denen sich der PhiP gut ausgebildet gefühlt hat. Außerdem wird immer davon gesprochen, dass angehende Apotheker lernen sollen, eine hochqualitative Beratung zu leisten. Wirklich definierte Mindeststandards dazu gibt es aber nicht, scheint es mir. Da müssen sich die Kammern als Mitverantwortliche mehr einbringen. Hier ist auch eine ausgeprägtere Kommunikation zwischen Ausbildern und Auszubildenden bezüglich der gegenseitigen Erwartungen unabdingbar!

ADHOC: Mit welchen Gefühlen sehen Sie Ihrem PJ entgegen?
ROTH: Ich habe einen Apotheker gefunden, der mich auch in meiner Verbandsarbeit unterstützen wird und von dem ich mir eine gute Ausbildung verspreche, sowohl im Bezug auf die gegenwärtigen als auch die zukünftigen Aufgabenbereiche der Apotheker. Von daher bin ich zuversichtlich: Es gibt einige wirklich engagierte Apothekerinnen und Apotheker.
Was die Finanzierung während des PJ angeht – nun ja, damit habe ich mich noch nicht wirklich ausführlich beschäftigt, jedoch mache ich mir darüber bei meinem Ausbildungsapotheker weniger Sorgen. Darüber hinaus habe ich noch ein Lernsemester an der Uni vor mir, in dem ich mich auf das 2. Staatsexamen im Frühjahr 2016 vorbereiten werde.

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