Die Präqualifizierung bereitet Apothekenangestellten immer wieder Ärger. Die bei Audits geforderten Nachweise werden zunehmend kritisiert – besonders weil sie sich oft mit der Kontrolle der Apothekenaufsicht doppeln. Die Münchener Apothekerin Christin Präger muss jetzt ein Temperaturprotokoll nachreichen, weil sie Sonden- und Trinknahrung anbieten will – und es gibt noch weitere Beispiele, die für Kopfschütteln sorgen.
In den Münchener Hasen- und Igel-Apotheken wurde vor mehreren Wochen ein Antrag auf Änderung bezüglich der Versorgung mit Sonden- und Trinknahrung gestellt. „Natürlich ist der Antrag unvollständig“, sagt Bastian Winkler, der seine Frau bei der Organisation, IT und betriebswirtschaftlichen Fragen unterstützt. Die Abda-eigene Agentur für Präqualifizierung (AfP) fordere jetzt zwingend ein Temperaturprotokoll der vergangenen sieben Tage mit Apothekenstempel und Unterschrift. Damit solle die korrekte Lagerung der Artikel nachgewiesen werden. „Dies betrifft ausdrücklich nur die Gruppe der Sonden- und Trinknahrung, die in der Regel bei Raumtemperatur gelagert wird.“
Zusätzlich müsse eine Selbsterklärung abgegeben werden, dass die Herstellerangaben bezüglich Lagerung und Transport eingehalten würden. Auch hier sei die eingereichte Formulierung kritisiert worden. „Das versteht kein Mensch mehr“, sagt Winkler. „Für uns stellt sich die Frage, was mit der zunehmenden Regulierung im Bereich Hilfsmittel erreicht werden soll. Sicherlich hat das auch mit Qualitätssicherung zu tun. Wenn aber das Ganze dazu führt, dass immer weniger Leistungserbringer die Versorgung sicherstellen können, dann sind am Ende die Kunden die Verlierer.“
Ein weiteres Problem sei, dass sich die Anforderungen etwa an bauliche Vorgaben schnell änderten. Vor zwei Jahren sei die Filialapotheke neu eingerichtet worden. Auch der Beratungsraum wurde nach dem neuesten Stand bestückt. Jetzt habe es plötzlich geheißen, dass die Liege beidseitig begehbar sein müsse. „Wir haben sie also von der Wand gerissen und Glück gehabt, dass die Liege nicht auch noch ausgetauscht werden musste.“ Zudem benötige er eine behindertengerechte Toilette, um eine Kniebandage verkaufen zu dürfen. Warum dies nötig sei, verstehe kein Mensch mehr. „Es wird immer komplizierter.“
Die Versorgung mit Hilfsmitteln könne angesichts der hohen Dokumentationspflichten und baulichen Anforderungen kaum mehr wirtschaftlich betrieben werden. „Ich kenne Apotheken, die es deshalb nicht mehr machen“, sagt Winkler. Dazu komme die Personalnot in Apotheken. Winkler fordert, dass seitens der Politik eine Grundsatzentscheidung getroffen werde, wie Menschen künftig mit Hilfsmitteln versorgt werden sollen. „Entweder können kleine Leistungserbringer weiterhin die Versorgung wirtschaftlich darstellen – oder man findet eine Alternative, die auch für weniger mobile Kunden die Versorgung sicherstellt.“
Generell sei die Grundidee der Präqualifizierung gut. „Leider entwickelt sich daraus ein immer größerer bürokratischer Aufwand, der vor allem auch zu viel doppelter Dokumentation führt.“ Schließlich müssten Apotheken gegenüber der Aufsicht viele Dinge wie einen behindertengerechten Zugang oder regelmäßige Temperaturkontrollen ohnehin nachweisen.
Seine Frau werde den Bereich weiter anbieten. „Wir bleiben wegen den älteren Menschen dabei, die auf unsere Hilfe angewiesen sind, auch wenn es teilweise ein Minusgeschäft ist.“ Gerade bei Kompressionsartikeln lohne sich der Aufwand beispielsweise nicht, wenn eine Apotheker:in zum Anmessen zur Kund:in nach Hause fahre. „Am Ende sind die Kunden die Verlierer. Wir, die Apotheken und Sanitätshäuser, betreiben unsere Einrichtungen ja nicht zum Selbstzweck, sondern weil wir unseren Kunden eine bestmögliche Versorgung bieten wollen, die sie auch häufig benötigen. In der derzeitigen Situation können wir dies oft einfach nicht mehr tun.“
Vertragspartner der Krankenkassen können laut GKV-Spitzenverband nur Leistungserbringer sein, die die Voraussetzungen für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel erfüllen. Apotheken oder Sanitätshäuser müssten in dem Präqualifizierungsverfahren nachweisen, dass sie grundsätzlich geeignet seien, die Hilfsmittelversorgung sachgerecht zu übernehmen.
Der GKV-Spitzenverband gibt den Präqualifzierungsstellen vor, welche Angaben sie beachten müssen. Mehrere Firmen bieten eine Präqualifizierung an, die wiederum maximal fünf Jahre gültig ist. In diesem Zeitraum finden zwei Überwachungen statt. Neue Versorgungsbereiche erfordern einen Änderungsantrag, genauso wie ein Inhaberwechsel. Die AfP ist laut eigenen Angaben Marktführer.
Seit Mai 2019 werden die Präqualifizierungsstellen von der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) geprüft und überwacht. Mit der Akkreditierung dieser Stellen sollte ein „Beitrag zur Sicherung der Hilfsmittelversorgungsqualität in Deutschland“ geleistet werden. Die Ausgaben für Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkassen sind zuletzt stetig gestiegen. Im vergangenen Jahr waren es 9,25 Milliarden Euro. Das sind knapp 4 Prozent der Gesamtausgaben.
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