Präquali-Idiotie: „Weisen Sie nach, dass Sie tot sind“ Sandra Piontek, 07.01.2024 08:04 Uhr
Wann hat der Präqualifizierungsärger in Apotheken endlich ein Ende? Das fragt sich auch Helge Hagedorn, dessen Frau Claudia Hagedorn in Wolfsburg die Phönix-Apotheke im Heinenkamp betreibt: „Um das Zertifikat zu erhalten, müssen wir erneut die seit elf Jahren von uns mitgenutzte Behinderten-Toilette fotografieren. Es fehlt ein sichtbarer Zollstock auf dem Foto, der belegt, wieviele Zentimeter das WC vom Boden entfernt ist“, ärgert sich Hagedorn.
Die Phönix-Apotheke in Wolfsburg versorgt seit elf Jahren Patient:innen mit Medikamenten. Auch Hilfsmittel werden abgegeben, bisher lief die erforderliche Präqualifizierung ohne Probleme – auch mit Hinweis auf die erlaubte Nutzung des Behinderten-WCs im benachbarten Edeka-Center. „Wir mussten zwar in jedem Antrag den Weg von der Apotheke zum WC genau skizzieren und die Entfernung angeben, aber es reichte aus, ein Foto der Toilette einzureichen“, so Hagedorn.
Genau dieser Aspekt wurde jedoch nun im vergangenen Zwischenaudit beanstandet: „Auf dem eingereichten Foto fehlt ein an das WC gehaltener Zollstock. Es muss nun plötzlich exakt belegt werden, dass das WC nicht einen Zentimeter zu weit vom Boden entfernt ist“, ärgert sich Hagedorn. Nun musste extra ein Metermaß besorgt werden, erneut ein Foto gemacht und für das Audit nachgereicht werden, obwohl es seit elf Jahren keinerlei Veränderung am WC gab.
DIN-Norm geprüft
Mehr noch: Hagedorn ist nicht nur über die Sinnlosigkeit, sondern auch über die Alternativlosigkeit entsetzt: „Ich kann jetzt schlecht zu Edeka gehen und denen mitteilen, dass das seit elf Jahren bestehende Behinderten-WC nun plötzlich zu hoch oder zu niedrig ist. Zumal solche Einrichtungen nach DIN-Norm gebaut werden müssen“, so Hagedorn. Die Präqualifizierungsstelle überprüfe folglich nochmals, die schon abgenommene DIN-Norm. Das habe „nichts mehr mit normalem Menschenverstand“ zu tun.
Nicht nur bei der Präqualifizierung des WCs gibt es Probleme: „Im Zuge des vergangenen Audits mussten wir natürlich auch den Beratungsraum von etlichen Seiten fotografieren, so auch die Milchglastür“, so Hagedorn. Per Fotobeweis muss ersichtlich sein, dass die Milchglastür undurchsichtig ist: „Nicht nur, dass ein Milchglas an sich schon undurchsichtig ist, nein es muss für das Foto jemand dahinter positioniert werden, der nicht zu sehen ist“, so Hagedorn.
All das sei in etwa so, als hieße es: „Bitte weisen Sie nach, dass Sie tot sind.“ Man könne eine Vielzahl an Idiotie bei der Präqualifizierung nachfeuern, so Hagedorn. Ärgerlich sind dabei vor allem die Zusatzkosten für die Apotheke: „Denn auch Milchglas kostet extra.“
Besser als kein WC
Besonders auffällig sei auch: „In keinem anderen Bereich, gibt es so etwas wie die Präqualifizierung für die Apotheken. Im Baugewerbe beispielsweise gilt der Bestandsschutz“, so Hagedorn. Anders in den Apotheken: „Selbst wenn ich nur neue Möbel in die Offizin stelle, muss ich einen neuen Antrag auf das Audit stellen. Irgendwo macht es natürlich Sinn, wenn Präqualifizierungsstellen auf dem neusten Stand in Bezug auf die Apotheken bleiben, aber es muss praktikabel sein“, so Hagedorn.
Er bezieht sich dabei auch auf etliche Arztpraxen. „Viele Arztpraxen haben gar kein Behinderten-WC. Ich würde doch lieber ein WC für die Apotheke zertifizieren, das einen halben Zentimeter zu niedrig ist, als gar keins.“