Präquali: Apotheken müssen Teamfotos einreichen Patrick Hollstein, 29.10.2022 08:27 Uhr
Die Eckpunkte zur geplanten Cannabis-Legalisierung haben die Präqualifizierungsstellen auf eine Idee gebracht. Wenn von den staatlich anerkannten Gras-Dealern neben Sachkenntnis auch eine blütenweiße Weste verlangt wird, warum nicht auch die Vorgaben für die Hilfsmittelversorgung noch einmal verschärfen. Wer keine Fotos und Steckbriefe seiner Belegschaft einreicht, gilt ab sofort nicht mehr als präqualifiziert.
Alle fünf Jahre müssen Apotheken beweisen, dass sie der Rolle als Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich würdig sind. Nur wer das komplizierte Antragsverfahren besteht, darf seine Kund:innen mit Kompressionsstrümpfen, Gehhilfen, Bandagen oder Inhalationsgeräten versorgen – unter Einkaufspreis, versteht sich. Damit es bis zur nächsten Re-Prä-Qualifzierung nicht allzu langweilig wird, gibt es zwischendurch noch Überwachungstermine.
Tür zum Beratungszimmer auch wirklich blickdicht? Temperatur im Stützstrumpflager ausnahmslos im Normbereich? Hygiene bei den Inkontinenzeinlagen jederzeit einwandfrei? Klingel auch wirklich bei 83,00 Zentimeter über dem Erdboden? Auch wenn solche und andere ausgefuchste Parameter bei den Antragstellern für Schweißausbrüche und schlaflose Nächte sorgen – bei den Prüfern sorgen sie schon lange nicht mehr für jene wohlige Überlegenheitsfantasien, derentwegen sie sich einst für ihren Beruf entschieden haben.
Doch jetzt kommt eine gänzlich neue Dimension hinzu. Warum nur die Inhaber beleuchten, wenn am Ende doch vor allem die Angestellten ihre womöglich unqualifizierten Finger im Spiel haben? Aus diesem Grund fordern die Präqualifizierungsstellen jetzt zu jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin einen kurzen Steckbrief an. Alter, Geschlecht und berufliche Qualifikation sowie eventuell absolvierte Fort- und Weiterbildungen sind nur Einstiegsfragen. Familienstand, Religion, Hobbys, heimliche Laster und private Verfehlungen müssen ebenfalls angegeben und kurz begründet werden. Dazu ein biometrisches Passbild, alternativ ein Bewerbungsfoto im Maßstab 16:9, das aber nicht älter als drei Monate ab Aufnahme sowie vier Tage ab Ausdruck sein darf.
Team-Score entscheidet
Anhand der eingereichten Unterlagen werden Altersdurchschnitt und Frauenquote berechnet und ein moralisches Profil der Belegschaft erstellt. Sauberkeit des Kittels und Zustand der Fingernägel fließen in einen geheimen Score ein, mit dem der Punktedurchschnitt um den Faktor 1,327 verbessert werden kann. Zusätzliche Punkte gibt es auch für ein aussagekräftiges Teamfoto. Die Entscheidung darüber trifft ein Gremium, dem fünf Personen aus drei unterschiedlichen Präqualifizierungsstellen sowie zwei pensionierte Hörgeräteakustiker angehören. Auf diese Weise soll eine Diskriminierung aufgrund von nebensächlichen Äußerlichkeiten verhindert werden.
Haben Sie erkannt, was Fiktion ist und was noch Wirklichkeit? Nein? Dann sind Sie damit sicher nicht alleine. Immer wieder berichten Kolleg:innen über den bürokratischen Wahnsinn bei der Hilfsmittelversorgung. Der Deutsche Apothekertag (DAT) forderte zwar wieder einmal eine Abschaffung, doch so lange quält und verdient die Abda über die Avoxa-Tochter AfP mit.
Immerhin: Entlastung gibt es überraschend bei BtM-Rezepten. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will die Höchstmengen streichen und so Praxen und Apotheken entlasten. Künftig soll niemand mehr bluten müssen, wenn das „A“ auf dem Rezept fehlt.
Startschuss für Cannabis
Parallel nimmt die Cannabis-Legalisierung an Fahrt auf. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat seine Eckpunkte an die EU-Kommission geschickt, damit er nicht später Ärger kriegt. Noch sind viele Details offen, etwa was die Preisbildung angeht: Schließlich soll die legale Ware billig genug sein, um den Schwarzhandel auszutrocknen, gleichzeitig soll sie nicht zu billig sein, damit sie nicht am Ende genau dort landet. Eine Preisbindung sieht Lauterbach trotzdem nicht.
Während sich die Start-ups mehr Freiheiten gewünscht hätten (Stichwort Versandhandel und Werbung), sind Apotheken, die Cannabis-Patient:innen versorgen, regelrecht entsetzt: Darüber, dass die THC-Obergrenze gestrichen wurde. Und darüber, dass Apotheken nur noch Plan B sein sollen. Da habe die Lobby kräftig mitgeschrieben... Welche Blüten so manches „innovative“ Konzept treibt, kann man aktuell wieder bei MySummer sehen: Kontrazeptiva im Dauerabo – mit 20 Prozent Preisaufschlag.
Ausfall bei Gehe und Apobank
Allerdings haben Apotheken ohne gerade ganz andere Probleme. Bei Gehe gab es in dieser Woche deutschlandweit einen Blackout, sodass keine Ware geliefert werden konnte. Dass dabei nicht transparent kommuniziert wurde, ärgerte viele Kunden – zumal am Freitag schon wieder Probleme auftraten. Bei der Apobank gab es einen IT-Zusammenbruch, sodass Überweisungen nicht pünktlich rausgehen konnten. Apotheken und Arztpraxen mussten sogar die Gehälter für ihre Mitarbeiter:innen vom Privatkonto zahlen. Immerhin: Für Kosten will man gerade stehen – mal wieder...
Beim Dauerbrenner Lieferengpässe sorgten Buscopan und Amoxicillin für Schlagzeilen. Das TV-Magazin „Marktcheck“ hat mal offen die Rabattverträge in Frage gestellt – weil man auch ohne sie noch im Niedrigpreisbereich sei. Derweil wartet auf die Hersteller von ergänzenden bilanzierten Diäten viel Arbeit. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass eine positive Wirkung auf ein bestimmtes Krankheitsbild nicht ausreicht, um damit zu werben. Vielmehr muss ein ganz konkreter Mangel unmittelbar ausgeglichen werden. Hier wird bald viel umgestellt werden müssen – noch gibt es für die Apotheken aber nichts zu tun. Deshalb verabschieden wir Sie jetzt mit einem Schenkelklopfer der Extraklasse: Im Vorfeld der Wiederholungswahl dachte die Berliner CDU wohl über Jens Spahn als Regierenden Bürgermeister nach. Schönes extralanges Wochenende.