„Apotheker ist mein Beruf, Arzt ist meine Berufung“ Lothar Klein, 21.03.2017 10:21 Uhr
Zwischen Apothekern und Ärzten herrscht in vielen Fällen eine gewisse berufliche Rivalität. Wer ist Koch und wer ist Kellner – besonders beim Medikationsmanagement. Was aber passiert, wenn ein Apotheker auch noch Medizin studiert? Schlagen dann zwei Herzen in seiner Brust? Apotheker und Arzt Kim Harder von der Friedheim-Apotheke in Flensburg sieht das ganz gelassen: „Ich rate dem Arzt in mir, sorgsam mit dem Apotheker umzugehen, ihn anzuhören und im Bedarfsfall auch aktiv zu konsultieren.“
Demnächst ist es geschafft: Apotheker Harder wird seinen Facharzt zum Allgemeinmediziner abschließen. Elf Jahre hat er dann die Universitätsbänke gedrückt. Hinzu kommen Praktische Jahre und die assistenzärztliche Tätigkeit während der Facharzt-Weiterbildung. „Ein langer Weg“, wie Harder selbst empfindet: „Dafür braucht man Leidenschaft.“
Begonnen hat für den gebürtigen Schleswiger alles 1995 mit dem Pharmaziestudium in Freiburg. Anschließend nahm Harder eine Tätigkeit im Fachbereich pharmazeutische Technologie an der Heinrich-Heine-Universität zu Düsseldorf auf. Dabei hat er dann bemerkt, dass ihn das „nicht ausfüllt“, wie er heute erzählt: „Ich wollte näher an den Menschen ran.“
Und alle kennen den Pflichttext nach jeder Arzneimittelwerbung „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“. Harder wollte beides in seiner Person zusammenbringen: „Fragen Sie Kim Harder – Ihren Arzt und Apotheker!“ Zwischenzeitlich hieß es dafür aber auch zurückzustecken. Zum Medizinstudium passte er seinen Lebensstil dem neuerlichen Studentendasein an. „Ich habe meine Wohnung aufgegeben und bin wieder in ein Studentenwohnheim gezogen“, so Harder.
Aber der soziale Rückschritt erwies sich als glückliche Fügung: So lernte Harder kurz vor dem selbstgewählten Downgrade seine heutige Ehefrau Dr. Friederike Friedrich-Harder kennen, ebenfalls Apothekerin. Sie ließ sich nicht abschrecken und führt heute die beiden Flensburger Friedrich-Harder-Apotheken.
Sein Medizinstudium finanzierte Harder als Apotheken-„Springer“ – Nachtdienste, Urlaubs- und Krankheitsvertretungen: „Dabei habe ich die DNA von bestimmt 20 bis 25 Apotheken kennen gelernt.“ Eine gute Schule. Denn 2006 machte sich seine Frau mit der ersten Apotheke selbstständig.
Neben dem Medizinstudium brachte Harder dann dort seine mannigfaltigen Erfahrungen ein. „Das Pendeln nach Kiel zu den Vorlesungen war immer eine Zusatzbelastung. Denn die gemeinsam Leitung der Friedheim-Apotheke am Twedter Plack mit meiner Frau durfte darunter nicht leiden“, so Harder im Rückblick. Und auch der erste gemeinsame Sohn Max nicht. „Da kam vieles zusammen“, zieht Harder Bilanz.
Warum tut sich ein Apotheker so etwas an? „Monetäre Gründe spielen dabei für mich keine Rolle“, sagt Harder: „Das Medizinstudium war für mich Hobby und Fortbildung zugleich.“ Aber es gab auch zwiespältige Erfahrungen. So fiel es nicht immer leicht, sich in der beruflichen Hierarchie wieder ganz hinten anzustellen.
Warum er das weggesteckt hat, erklärt Harder so: „Apotheker ist einer meiner Berufe, Arzt ist meine Berufung.“ Als Arzt könne er „noch näher“ am Patienten dran sein: „Mir geht es darum, für die Menschen da zu sein.“ Das könne er zwar als Apotheker auch, aber „wenn heute ein Kunde mit Halsschmerzen in unsere Apotheke kommt, müsste ich nach Beschwerdeschilderung sagen, machen Sie mal den Mund auf.“
Nicht nur die Patienten schätzen die breite heilberufliche Kompetenz, sondern auch die ärztlichen Kollegen, wenn ihre Fragen und Anliegen kompetent und pragmatisch gelöst werden. Deswegen wurde Apothekerin Friedrich-Harder bereits vor Jahren zur Vorsitzenden des Medizentrums am Plack gewählt – ein Zusammenschluss der Gesundheitsberufler im Umkreis der Friedheim-Apotheke am Twedter Plack, deren Mitglieder ganz überwiegend Ärzte sind.
Eine Rivalität zwischen seinen beiden Professionen sieht Harder nicht. „Ich verstehe jetzt beide Sichtweisen besser: Der Apotheker ist der Arzneimittelfachmann, der Arzt für Diagnosen und Therapiekonzept zuständig. Da muss es keine Konflikte, keine Hierarchie der Heilberufe geben.“
Im Optimalfall seien Apotheker und Arzt „Sparrings-Partner“ zum Vorteil der Patienten. In guten Krankenhäusern seien Apotheker bereits auf Augenhöhe mit den Ärzten in die Behandlung der Patienten eingebunden. „So muss das in der ambulanten Versorgung auch werden“, wünscht sich Harder.
Und daran kann er selbst mitwirken. Denn Harder hat sich bereits zwischen den beiden Berufen entschieden: Nach Abschluss der Facharztweiterbildung will er sich in Flensburg oder Umgebung hausärztlich niederlassen. Nicht etwa, um dann Rezepte für die Apotheken seiner Frau zu generieren, wie er sagt. Sondern, weil inzwischen klar ist, dass sein Herz für die Medizin schlägt.