Corona-Ausbruch

Pop-up-Apotheke bei Tönnies APOTHEKE ADHOC, 22.06.2020 13:15 Uhr

Berlin - 

Um nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischkonzern Tönnies die Arzneimittelversorgung zu sichern, haben die Apotheken im Kreis Gütersloh am Wochenende auf dem Firmengelände in Rheda-Wiedenbrück eine „Pop-up-Apotheke“ eröffnet. So sollen die Patienten direkt mit den dort verordneten Arzneimitteln versorgt werden.

In den vergangenen Monaten wurde die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zur Behandlung von Covid-19-Symptomen dezentral durch alle Apotheken vor Ort sichergestellt. Nun wählten die Apotheker bei der Versorgung der betroffenen Tönnies-Mitarbeiter einen zentralen Weg. „Bei so vielen Infizierten, die meist weder Deutsch noch Englisch sprechen und die extrem verunsichert sind, haben wir eine ungewöhnliche und pragmatische Lösung gewählt“, erklärt Claudia Scherrer, Kreisvertrauensapothekerin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) und Sprecherin der Apotheker*innen im Kreis Gütersloh.

Im engen Austausch mit Kammer, Landkreis und Bezirksregierung hat Scherrer am vergangenen Wochenende dafür gesorgt, dass die Corona-Patienten des Fleischfabrikanten noch auf dem Tönnies-Firmengelände, wo sich eines der aktuell zwei Behandlungszentren im Kreis Gütersloh befindet, mit den dort verordneten Arzneimitteln versorgt werden. „Außergewöhnliche Situationen führen manchmal zu außergewöhnlichen Maßnahmen“, sagt Scherrer, „und in dieser Situation war eine Pop-Up-Apotheke unter freiem Himmel mit nur fünf Arzneimitteln eine äußerst ungewöhnliche, aber in höchstem Maße realitätsnahe Lösung.“

In der Pop-Up-Apotheke werden Patienten je nach Bedarf mit Codein, Ambroxol, Amoxicillin und Ibuprofen beziehungsweise Paracetamol versorgt. Neben Scherrer, Inhaberin der Nord-Apotheke Gütersloh, sind vor Ort Susanne Gehring (Bahnhof-Apotheke Gütersloh) und Dr. Olaf Elsner (Storchen-Apotheke Gütersloh) im Einsatz. Zunächst arbeiteten sie mit Atemschutz, später mit Vollschutzausrüstung bei knapp 30 Grad Celsius unter freiem Himmel. „Die Beratung erfolgte mit Unterstützung der Dolmetscher, welche aus dem Deutschen ins Rumänische und Bulgarische übersetzten“, so Scherrer. „Das war eine enorme Hilfe.“

Nach der Hauruck-Aktion am Wochenende ist Scherrer froh, diesen pragmatischen Weg gewählt und auch bei den zuständigen Behörden durchgesetzt zu haben: „Normalerweise widerspricht die Abgabe von Arzneimitteln außerhalb einer Apotheke ungefähr jeder gesetzlichen Grundlage. Aber gerade die Sprachbarriere und der Infektionsschutz der Bevölkerung im Kreis und darüber hinaus ließen keine andere Lösung zu.“

Heute ist Scherrer noch im Behandlungszentrum, ab Dienstag soll die Versorgung ortsweise im Kreis Gütersloh dezentral über einen Botendienst organisiert werden. „Dann werden die Rezepte aus der Praxis an eine Apotheke am Wohnort des Patienten gemailt, die Originale später nachgereicht.“ Das wäre eigentlich eine illegale Zuweisung von Rezepten. „Aber manchmal muss man pragmatisch agieren.“

Scherrer betont, dass all das mit den Behörden zwar auf dem kurzen, aber immer noch auf dem Dienstweg abgesprochen ist. „Es geht nicht um Guerilla-Aktionen oder ums Geldverdienen, sondern um die schnelle Versorgung der Patienten. Und wer kann das besser und schneller als die Apotheke vor Ort? Der Versandhandel auf jeden Fall nicht!“