Drive-in-Apotheken

Pillen vom Autoschalter Eugenie Ankowitsch, 14.12.2017 10:27 Uhr

Berlin - 

Im Jahr 2005 eröffnete die erste Apotheke mit einem Drive-in-Schalter. Seitdem haben etliche Kollegen in ganz Deutschland entsprechende Abgabefenster eingerichtet. Viele dieser Apotheken werben mit dem Autoschalter. Denn häufig ist er ein Alleinstellungsmerkmal. Nicht nur die Zeitersparnis ist ein gutes Argument für die Drive-in-Apotheke. Auch Senioren, Menschen mit Behinderung oder Familien mit kleinen Kindern dürften den Service zu schätzen wissen: kein Parkplatzsuchen, kein Aussteigen, alles geht ganz einfach und schnell vom Auto aus.

Bereits 1999 gab es in Deutschland einen ersten Vorstoß, einen Autoschalter in einer Ulmer Apotheke einzurichten. Doch der Inhaber scheiterte an der damaligen Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Erst sechs Jahre später, im Jahr 2005, stellte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) dann aber vor dem Hintergrund des mittlerweile zugelassenen Versandhandels klar, dass Außenschalter einer Apotheke keinen Verstoß gegen die ApBetrO darstellten.

Im gleichen Jahr eröffnete in Hamburg dann die Alphapoint-Apotheke den ersten deutschen Apotheken-Autoschalter. „Ich war früher oft in den USA“, berichtet Inhaber Dr. Ulf Haverland. „Dort hab es solche Drive-through-pharmacies schon lange.“ Nachdem in Deutschland das Verbot für Drive-in-Apotheken fiel, konnte er seine Idee in der Alphapoint-Apotheke, die er im Jahr 2002 von seinem Vater übernommen hatte, endlich umsetzten.

Mehr als 70.000 Euro hat der Umbau seinen Angaben nach gekostet. Im August 2005 kam der erste Kunde. Mit dem Fahrrad. Nun, zwölf Jahre später, werden laut Haverland rund 100 Kunden täglich am Autoschalter bedient: Autofahrer, Radfahrer, Motorradfahrer, Mütter mit Kindern und Tierhalter, die denken, dass ihr Hund in der Offizin nicht erlaubt ist, aber ihren Liebling nicht draußen allein lassen wollen. Der Apotheker ist überzeugt, dass er durch den Autoschalter zahlreiche zusätzliche Kunden gewinnen konnte.

„Der Drive-in wurde zwar vom ersten Tag an gut angenommen“, sagt der Apotheker. „Mittlerweile entstehen sogar oft Warteschlangen.“ Eigentlich müsste er nochmals umbauen und die Zufahrt erweitern, so Haverland. Auch aus Marketingsicht sei der Autoschalter ein Volltreffer gewesen: Zahlreiche Medien hätten seinerzeit über die Eröffnung berichtet und die Alphapoint-Apotheke über Hamburgs Grenzen hinweg bekannt gemacht. Inzwischen hat der Apotheker, der insgesamt drei Apotheken besitzt, einen weiteren Standort mit einem Drive-In ausgestattet.

Haverland und andere Apothekeninhaber, die sich für einen Autoschalter entschieden haben, sehen diesen in erster Linie als zusätzlichen Service für Patienten, denen das Aus- und Einsteigen schwierig fällt. Es sind einerseits Senioren und Menschen mit Behinderung, aber auch Mütter mit kleinen Kindern. Gern wird der Autoschalter von Patienten genutzt, die nur schnell ihr Medikament abholen wollen, oder bei schlechtem Wetter.

Wieviele Apotheken inzwischen einen Drive-in haben, lässt sich allerdings nicht sagen. Eine offizielle Statistik gibt es nicht. Als eines der neusten Mitglieder im Club der Drive-in-Apotheken ist aber im September die Gelo-Apotheke im baden-württembergischen Lorch hinzugekommen. Damit gehört Apothekerin Katrin Hausotter, die auch die örtliche Stadt-Apotheke führt, in ihrer Region zu den Vorreitern. Ihre Filiale ist ihren Angaben nach die erste Drive-In-Apotheke im weiten Umkreis. Das sei durchaus ein Alleinstellungsmerkmal. „Ich habe schon vor Jahren davon gehört und fand das toll“, erzählt sie. „Als das Ärztehaus in Lorch gebaut werden sollte, ergriff ich die Gelegenheit.“

Da bei einem Neubau ein solches Vorhaben in der Regel einfacher umsetzten lässt, musste die Apothekerin keine nennenswerten Mehrkosten in Kauf nehmen. „Der Autoschalter ist gleichzeitig auch der Notdienst-Schalter“, erklärt Hausotter. „Nur kann man eben dort mit einem Auto vorfahren.“ Auch sie berichtet, dass die Kunden der Gelo-Apotheke die Neuheit gut angenommen haben. Mehrmals am Tag würde der Schalter angefahren. Ob sie damit mehr Umsatz machen wird, kann die Apothekerin noch nicht abschätzen: „Schön wär’s. In erster Linie ist es aber eine zusätzliche Serviceleistung.“

Dennoch sieht sie bereits jetzt gewissen marketingtechnische Vorteile eines Drive-ins. „Es ist hier ein Novum“, sagt sie. „Anlässlich der Eröffnung landeten wir damit in allen lokalen Medien, teilweise auf Titelseiten. Besser geht es nicht.“

Auf eine gute Beratung müssen die Kunden am Drive-in-Schalter aber im Bedarfsfall nicht verzichten, beteuern alle Apotheker. „Die Beratung am Autoschalter finden genauso statt wie in der Offizin“, sagt Julia Sieber aus dem bayerischen Rain. Vor drei Jahren hat sie ihre Apotheke in einem Neubau eröffnet und schätzt, dass mittlerweile rund 10 Prozent ihrer Kunden am Autoschalter bedient werden. „Allerdings nehmen eher eilige Kunden das Angebot in Anspruch“, berichtet die Apothekerin. „Für Hinweise, wie viele Tropfen oder Tabletten wann zu nehmen sind, muss niemand aussteigen. Für ausführlichere Beratungen bitten wir die Kunden lieber in die Apotheke, auch um die Vertraulichkeit zu gewährleisten.“ Für viele Kunden sei es ohnehin sehr wichtig, in die Offizin reinzugehen.