Notfallverhütung

PiDaNa: ABDA kontert Frauenärzte APOTHEKE ADHOC, 09.03.2018 15:23 Uhr

Berlin - 

Apotheker im Kreuzfeuer: Der Berufsstand soll laut Bundesverband der Frauenärzte (bvf) eine Mitschuld an der Zahl der steigenden Schwangerschaftsabbrüche tragen – aufgrund der schlechten Beratung zur Pille danach, die auf die „groben Fehler“ der Handlungsanweisungen der ABDA zurückzuführen sei. Die Behauptung entbehre jeder Grundlage, stellt sich die Standesvertretung vor die Kollegen. Der vom bvf postulierte Zusammenhang sei „abenteuerlich“.

„Bei der ABDA hat keiner verstanden, wie die Pille danach funktioniert, sonst würde man LNG nicht drei Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr empfehlen“, so eine Sprecherin des bvf zur Handlungsanweisung der Bundesapothekerkammer (BAK) zur Pille danach. Laut bvf-Präsident Dr. Christian Albring, niedergelassener Frauenarzt in Hannover, sind „auch die aktuell neu überarbeiteten Curricula und Handlungsempfehlungen der ABDA zur Notfallverhütung trotz zahlreicher Interventionen des Berufsverbandes der Frauenärzte weiterhin grob fehlerhaft.“

Albring weiter: „Der niederschwellige Zugang zu den Arzneimitteln für die Notfallverhütung geht dadurch mit einem niederschwelligen Zugang zu einer grundsätzlich fehlerhaften Beratung einher, die eine hohe Gefahr ungewollter Schwangerschaften birgt“. Die überarbeitete Fassung der Handlungsempfehlung habe „erneut grobe Fehler“. Apotheker könnten mit den Unterlagen der ABDA nicht richtig beraten, findet der bvf, die Pharmazeuten an der Basis treffe demnach keine Schuld.

„Die pauschal-plakative Behauptung, dass Apotheker nicht zuverlässig zur ‚Pille danach‘ beraten würden, entbehrt ebenfalls jeder Grundlage“, kontert die ABDA. „In unzähligen Fortbildungsveranstaltungen wurden die Apothekerinnen und Apotheker qualitätsgesichert geschult. Basis dafür ist eine Handlungsempfehlung der BAK. An deren Erstellung und Aktualisierung waren unter anderem das Bundesgesundheitsministerium (BMG), pro familia und Gynäkologenverbände beteiligt. Auch der bvf war eingebunden. Das BMG hatte in Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu allen Aktualisierungswünschen, auch des bvf, abschließend Stellung genommen. Diese Fassung wurde aktuell von der BAK veröffentlicht.“

Welche vermeintlichen Fehler die Handlungsanweisung enthalten soll, liefert der Berufsverband mit. So fehle an prominenter Stelle der Hinweis, dass „nach Einnahme von Ulipristalacetat (UPA) unbedingt für den Rest des Zyklus mit Barrieremethoden verhütet werden MUSS, weil die hormonelle Kontrazeption nach UPA im gleichen Zyklus nicht mehr funktioniert“. UPA mache die Pille unwirksam, die Frauen sind für den Rest des Zyklus nicht geschützt. Die aktuelle Fassung vom 28. Februar liefert jedoch genau diesen Hinweis: „Nach der Notfallverhütung mit Levonorgestrel (LNG) oder UPA sollte die hormonelle Kontrazeption fortgeführt werden. Eine zusätzliche (!) Anwendung von Barrieremethoden (zum Beispiel Kondome) bis zum Zyklusende (bis zur nächsten Monatsblutung) ist notwendig, da die Wirksamkeit der hormonalen Kontrazeptiva nicht mehr gewährleistet ist“. Der Zusatz war bereits in der Fassung vom 7. Oktober 2015 enthalten.

Außerdem fehle laut bvf der Hinweis, dass: „LNG nach 24 Stunden und UPA nach 48 bis 72 Stunden nur noch eine statistische Rest-Wirksamkeit haben, die keinen Schutz vor einer Schwangerschaft mehr darstellen. Nach diesen Zeiten sollte gegebenenfalls eine Kupferspirale gelegt werden“. Der Verband verweist zudem auf die Anlaufzeiten der beiden Arzneistoffe, die in der Empfehlung beachtet werden müsse. Für LNG sei eine Anlaufzeit von zwei Tagen zu berücksichtigen, die nötig sei um den Eisprung zu verschieben. Im Klartext: Wird LNG erst 24 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen, wird der Eisprung erst nach drei Tagen verschoben, vorausgesetzt er hat in dieser Zeit noch nicht stattgefunden. UPA hingegen wirke bei einer Anlaufzeit von sechs Stunden weitaus schneller. Niemand wisse jedoch genau, wann der Eisprung stattfinde, hält der BVF den Apothekern zu Gute.

Die Gynäkologen können jedoch per Ultraschalluntersuchung ermitteln, wie weit der Eisprung ist. Eine Kupferspirale könne bis zu fünf Tage nach der Verhütungspanne eingesetzt werden und biete den größten Schutz vor einer ungewollten Schwangerschaft.

Auch zur Gewichtsdebatte äußert sich der bvf. Hier fehle ebenfalls ein Hinweis in der Handlungsempfehlung, dass „bei höherem Gewicht im Interesse der Patientin eine Kupferspirale gelegt werden sollte, um eine unerwünschte Schwangerschaft mit Sicherheit zu verhindern. Die Gewichts-Debatte führen die Apotheker immer noch akademisch und stützen sich dabei wie die EMA auf Studien aus Afrika und China. Der betroffenen Frau hilft das nicht“. Man könne das Gewicht „nicht ignorieren“. Positiv sei jedoch die Aufnahme der Hinweis in der Gebrauchsinformation von UPA, dass der Erfolg der Einnahme vom Körpergewicht anhängig ist.

Die BAK schreibt jedoch aufgrund begrenzter Daten: „Daher werden Notfallkontrazeptiva weiterhin für alle Frauen unabhängig von ihrem Körpergewicht oder Body-Mass-Index (MBI) empfohlen“.

Für „grob fahrlässig“ hält der bvf zudem eine Empfehlung zur Notfallkontrazeption durch Einnahmefehler der Pille, „dass bei einem Einnahmefehler in der 2. oder 3. Einnahmewoche in der Regel keine Notfallverhütung notwendig sei. Das gilt nur, wenn die Pille nicht länger als 24 Stunden vergessen wurde. Diese eindeutige Einschränkung fehlt“.

Die schlechte Beratung in Apotheken trage laut Frauenärzten eine Mitschuld am Plus von 2,5 Prozent von Schwangerschaftsabbrüchen. Die ABDA bezeichnet den postulierten Zusammenhang als „abenteuerlich“. „Seit 2015 haben Frauen einen leichteren Zugang zu Notfallverhütungsmitteln, denn diese sind ohne Rezept in jeder Apotheke erhältlich. Dass Frauen dies nutzen, zeigen die Abgabezahlen.“ Die Grundannahme des bvf, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche nach dem OTC-Switch zugenommen habe, sei „zu kurz gesprungen“.

„Denn wie viele Abtreibungen es gibt, hängt auch davon ab, wie viele Frauen im gebärfähigen Alter hier leben. Im Jahr 2017 gab es 58 Schwangerschaftsabbrüche pro 10.000 Frauen. Zum Vergleich: Im Jahr 2012 – als die ‚Pille danach‘ noch verschreibungspflichtig war – waren es 59 Abbrüche pro 10.000 Frauen.“