Die Situation zwischen dem Marketing Verein Deutscher Apotheker (MVDA) und Phoenix spitzt sich weiter zu. Per Brief hat sich Deutschlandchef Marcus Freitag an die Mitglieder der Kooperation gewandt: Das vorgeschlagene neue Konditionenmodell mit zwei Großhandelspartnern sehe man kritisch. Beim MVDA glaubt man den Argumenten nicht. Das Tischtuch scheint zerschnitten, die Partner treten gegeinander an.
Im September hatte der MVDA die exklusive Partnerschaft mit Phoenix beendet. Ab Anfang 2020 können die Mitglieder das Kernsortiment auch bei AEP bestellen. Die Kooperation will sich aus der Abhängigkeit ihres langjährigen Logistikpartners befreien. Für Phoenix steht viel auf dem Spiel. Immerhin macht der Konzern rund die Hälfte seines Umsatzes hierzulande mit den 3000 MVDA-Apotheken. Ohne den bisherigen Partner würde der Branchenprimus nicht nur hinter Noweda zurückfallen, sondern – je nachdem, wer künftig liefert – womöglich noch weiter.
Doch die Butter vom Brot nehmen lassen will man sich in Mannheim offenbar nicht. In dieser Woche musste der Konzern sich entscheiden, ob er unter den neuen Rahmenbedingungen des MVDA dabei bleiben will oder nicht. Was Freitag gegenüber dem Präsidium geantwortet hat, ist nicht bekannt. Mit seinem öffentlichen Schreiben hat er aber unmissverständlich klar gemacht, dass er zum Konter bereit ist.
Als bislang wichtigster Kooperationspartner sei man im September über den neuen Weg des MVDA informiert worden; die Eckdaten für die veränderte Zusammenarbeit habe man vor zwei Wochen erhalten, schreibt Freitag. „Ihre Phoenix – seit Gründung des MVDA vor drei Jahrzehnten immer ein verlässlicher Partner – möchte selbstverständlich auch weiterhin als wichtigster Großhandels- und Technologiepartner mit dem MVDA kooperieren.“ Im Sinne aller Beteiligten strebe man den Abschluss einer tragfähigen neuen Vereinbarung an. Diese müsse jedoch sowohl rechtlich, als auch steuerlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. „Der uns vom MVDA vorgelegte Entwurf birgt erhebliche rechtliche und finanzielle Unsicherheiten für alle Beteiligten“, so Freitag.
„Wir sehen uns in der Verantwortung, unseren Kunden risikolose Alternativen anzubieten“, so Freitag weiter. „Aus diesem Grund garantieren wir Ihnen auch nach dem 31.12.2019 ein attraktives Angebot analog unserem heutigen P/S-Sortiment. Gleichzeitig werden wir Sie bei den zukünftigen Herausforderungen im Bereich der Digitalisierung und des E-Rezeptes mit etablierten Lösungen wie beispielsweise Payback unterstützen.“
Zum Abschluss versichert Freitag: „Unser Ziel ist es, Ihnen auch zukünftig die gleiche wirtschaftliche Sicherheit wie heute zu bieten und unseren gemeinsamen und erfolgreichen Weg mit Ihnen verlässlich weiterzugehen.“
Beim MVDA hat man mit einer solchen Reaktion möglicherweise gerechnet. Seit anderthalb Wochen tourt die Spitze durch das Land, um mit mehr als 1000 Apothekern persönlich zu sprechen. „Unser Modell ist durch Anwälte und Kartellrechtler geprüft“, weist Volker Karg die von Freitag ins Feld geführten juristischen Bedenken zurück. Der knapp 100 Seiten umfassende Entwurf sei von mehreren renommierten Anwälten entwickelt und vom Kartellamt geprüft und genehmigt worden.
Ab Januar werde man das P/S-Sortiment anbieten – ob mit Phoenix oder einem oder mehreren neuen Partnern, so Karg. Insofern bleibt er dabei, dass die Mitglieder sich nicht verunsichern lassen sollten, wenn die bisherige Vereinbarung gekündigt wird. Den neuen Vertrag soll es rechtzeitig vom MVDA geben. „Um was es uns geht, ist apothekerliche Selbstbestimmtheit. Im Sinne unserer Satzung sind wir der inhabergeführten Apotheke verpflichtet und tun alles dafür, den Erfolg unserer Mitglieder sicherzustellen.“
Leicht gemacht hat der MVDA seinem bisherigen Partner die Entscheidung freilich nicht. Erst vor kurzem schloss sich die Kooperation mit Linda 24/7 der Initiative Pro AvO an und gründete parallel ein Joint Venture mit Noventi – was durchaus als Absage an Phoenix und ADG zu verstehen war.
MVDA und Phoenix sind seit der Gründung eng miteinander verbandelt, doch in den vergangenen Jahren haben sich die Interessen zunehmend in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Während man in Mannheim an einem europaweiten Kooperationsnetzwerk (Phoenix Pharmacy Partnership) arbeitet, fühlt man sich in Köln dem Leitspruch „Von Apothekern für Apotheker“ verpflichtet. Um den Konflikt aufzulösen, wurden zahlreiche Ideen entwickelt: Von grünen und blauen Linda-Apotheken war die Rede, zuletzt soll über eine 10-prozentige Beteiligung von Phoenix an Linda verhandelt worden sein.
Doch statt aufeinander zu bewegte man sich immer weiter voneinander weg. Um „Deine Apotheke“ zu etablieren, öffnete Phoenix die Partnerschaft mit Payback für alle Kunden. Parallel wurde mit Livplus Ansätze für ein neues eigenes Kooperationskonzept entwickelt. Zuletzt hatte es im Frühjahr gekracht, weil der Großhändler seine Konditionen im Zusammenhang mit „Leistung für Leistung“ (LfL) vor dem Hintergrund schlechter Umsetzungsquoten kürzte.
Auch wenn der MVDA mit rund 3000 Mitgliedern, jedes dritte davon bei Linda, die Nummer 1 unter den großhandelsunabhängigen Kooperationen ist: Der Weg in die „Selbstständigkeit“ wird alles andere als ein Spaziergang werden. Zuletzt hatte der MVDA 2003 mit Lieferanten gesprochen, seitdem bestimmte die Einkaufsabteilung von Phoenix, wer als Industriepartner dabei ist und wer nicht. In Zukunft will der Verbund die Verhandlungen mit der Industrie wieder in die eigene Hand nehmen.
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