An der Freien Universität Berlin (FU) lernen Pharmaziestudenten ab diesem Semester Medikationsmanagement. In einer Modell-Apotheke werden reale Patientenfälle durchgesprochen und Therapien analysiert. In Rollenspielen trainieren die angehenden Apotheker, die Ergebnisse ihren Patienten ohne Fachlatein zu erklären. Theorie und Praxis sollen so bereits im Studium verknüpft werden. Die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) der Patienten soll erhöht werden.
Das Medikations-Management-Center (MMC) am Pharmazie-Institut der FU sei deutschlandweit einmalig, sagt Studiendekan Professor Dr. Roland Bodmeier. Die Universität integriere damit als erste Hochschule das Medikationsmanagement bereits in das Studium. Bislang wird Wissen dazu eher über Fortbildungen vermittelt, beispielsweise den AMTS-Manager der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.
Grund für diesen Schritt ist die älter werdende Bevölkerung: Polymedikation und chronische Erkrankungen wie Diabetes nehmen zu. „Jeder siebte Patient über 70 nimmt 13 Wirkstoffe ein“, sagt Professor Dr. Charlotte Kloft, Leiterin der Abteilung Klinische Pharmazie. Derzeit sind laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) etwa 250.000 Krankenhauseinweisungen pro Jahr auf Medikationsfehler zurückzuführen. Das kostet etwa eine Milliarde Euro.
Kloft leitet die Klinische Pharmazie seit 2011. Sie hatte die Idee zum Konzept der Modell-Apotheke. Übungsapotheken gibt es in Deutschland schon; Studenten in Halle und Mainz trainieren darin, Patienten zu beraten. Die FU setzt einen anderen Schwerpunkt: Die Studenten lernen, einen Medikationsplan zu erstellen, mögliche Neben- und Wechselwirkungen der Medikation zu analysieren, Lösungen zu erarbeiten – und den Patienten verständlich zu kommunizieren.
Die Lehrveranstaltungen im Fach Klinische Pharmazie werden insbesondere im siebten und achten Semester in der Modell-Apotheke durchgeführt. „Die Apotheke wird aber auch schon früher ins Studium integriert“, sagt Kloft. Die Studenten sollen dort beispielsweise auf die Famulatur vorbereitet werden. Darüber hinaus können die angehenden Pharmazeuten die Apotheke zum Selbststudium nutzen.
Im vierten Jahr sollen die Studenten in Gruppen von etwa zwölf Personen in der Modell-Apotheke Seminare haben. Nach vorbereitenden Vorlesungen werden in der realitätsnahen Kulisse Beratungen zu bestimmten Themen geübt. Dazu gehören beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die Familienplanung und OTC-Arzneimittel.
Eine studentische Arbeitsgruppe hat 30 reale Patientenfälle für sogenannte Brown-Bag-Reviews aufgearbeitet. In braunen Papiertüten stecken die Arzneimittelpackungen von anonymen Patienten sowie eine Fallbeschreibung. In kleinen Gruppen sollen die Studenten die Medikation analysieren und dem Patienten erklären. Einen Lösungsvorschlag enthält die Tüte ebenfalls. Aber das sei nur ein möglicher Weg, sagt Kloft. „Die Studenten dürfen hier außerdem Fehler machen“, betont sie. Dazu werde es dann Feedback geben.
Neben der Medikationsanalyse werden die Studenten in Beratungsgesprächen geschult. Dabei helfen Rollenspiele, die auch aufgezeichnet werden. Über einen Beamer können sie im Raum danach angesehen und ausgewertet werden. Zudem trainieren die Studenten in der Apotheke pharmazeutische Dienstleistungen wie etwa Blutdruck zu messen oder Patienten die Anwendung von Insulin-Pens zu erklären. Die Apothekensoftware, -einrichtung und technische Geräte wurden von den Herstellern gesponsert. Die leeren Medikamentenschachteln haben Studenten unter ihren Verwandten gesammelt.
Professor Dr. Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK), findet das MMC „super“. „Apotheker sind nicht die geborenen Medikationsmanagement-Experten – sie müssen dafür trainiert werden“, sagt er. Das übernehme das Center. Obwohl die Apotheker im E-Health-Gesetz aktuell nicht eingebunden sind, hält Schulz die Ausbildung im Medikationsmanagement für relevant. „Ab 2018, wenn der elektronische Medikationsplan kommt, sind die Apotheker laut Gesundheitsminister Hermann Gröhe dabei.“ Dann solle die Leistung auch honoriert werden.
Schulz geht davon aus, dass Apotheker schon jetzt Ansprechpartner beim Medikationsplan sind, da die Hausärzte nur Informationen über ihre Verschreibungen haben. Was die Fachärzte verordneten und an OTC-Medikamenten gekauft werde, wisse der Apotheker als „zentrale Anlaufstelle“ des Patienten. „Daher können Apotheker auch heute nicht sagen: Mit Medikationsmanagement haben wir nichts zu tun.“
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