Der Hörsaal im zweiten Stock des Pharmazie-Instituts an der Freien Universität Berlin (FU) ist voll belegt. Knapp 80 Pharmaziestudenten haben sich zu diesem Wintersemester neu immatrikuliert. Unter ihnen: Die 19-jährige Denitsa Mitrova aus Bulgarien. Erst vor einem Monat ist sie für das Studium nach Deutschland umgezogen.
Die Gespräche im Raum drehen sich um Abiklausuren, bis um 14 Uhr c.t. die Einführungsveranstaltung des 1. Semesters beginnt. „Wer von Ihnen gehofft hat, die Chemie mit dem Abi endlich los zu sein, wird leider enttäuscht“, begrüßt Professor Dr. Jörg Rademann die neuen Studenten. An der FU entfallen mehr als 40 Prozent aller Semesterwochenstunden auf dieses Fach. Schon im ersten Semester haben die Studenten Vorlesungen und Seminare in allgemeiner, analytischer und anorganischer Chemie.
Rademann erklärt, warum die Chemie im Pharmaziestudium eine so wichtige Rolle spielt. Er präsentiert einige historische Forschungsergebnisse der Chemie, die für die Pharmazie bedeutend waren, wie etwa das Gesetz zu Massenverhältnissen in chemischen Reaktionen von Joseph Louis Proust. „Ich dachte, das wäre eine Einführungsveranstaltung und keine Vorlesung“, flüstert eine Studentin. „Er spricht viel zu leise“, bemerkt ihre Sitznachbarin. Rademann fährt fort: „Sie lernen Chemie, um das Verhalten der Wirkstoffe im Organismus verstehen zu können.“ Am Ende gehe es darum, von einer Formel auf die Reaktivität und die pharmakologischen Eigenschaften eines Stoffs schließen zu können.
Rademann gibt den Studenten Tipps zum Chemielernen: Sie sollten, wenn möglich, Theorie mit Experimenten verknüpfen. Zudem sollten sie sich vor Experimenten Gedanken über den möglichen Ausgang machen. „Außerdem sollten Sie viel zeichnen.“ Damit meint Rademann, Moleküle selbst aufzumalen, um sie sich besser einprägen zu können.
Mitrova schwankte nach ihrem Schulabschluss zwischen einem Medizin- und einem Pharmaziestudium. „Ich möchte in einem Gesundheitsberuf arbeiten“, erklärt sie. Schließlich entschied sie sich für Pharmazie: „Denn Chemie hat mir in der Schule immer Spaß gemacht.“ Mitrova hat ihren Studienplatz über die Abiturbestenquote bekommen. „Berlin war meine erste Wahl; an zweiter Stelle München, dann Frankfurt.“
Insgesamt stehen elf Fächer auf dem Stundenplan des ersten Semesters. „Anders als in den Bachelor- und Master-Studiengängen haben Sie in jedem Semester einen festen Studienplan“, erklärt Dr. Ursula Brümmer vom Institut für Pharmazeutische Chemie. Das erleichtere die Übersicht. „Das Pharmaziestudium ist sehr verschult, aber sonst wäre die Stoffmenge nicht zu bewältigen.“ Im Stundenplan der FU ist jeder einzelne Wochentag des Semesters mit den jeweiligen Veranstaltungen aufgeführt. „Zur Motivation können Sie also jeden Tag abstreichen“, sagt Brümmer. Einige Studenten lachen.
Am Dienstag, dem ersten „richtigen“ Vorlesungstag, geht es gleich mit einem vollen Programm los: Die Erstsemester hören zwischen 8 und 16 Uhr vier verschiedene Vorlesungen: Physik, Biologie, Chemie für Pharmazeuten und physikalische Chemie. „Zwischendurch gibt es ja Pausen“, sagt Mitrova zuversichtlich. Da die Studentin derzeit zur Zwischenmiete in einer WG in Pankow wohnt, kommen zu den langen Unitagen lange Fahrtwege. Etwa anderthalb Stunden dauert ihre Fahrt zur Uni und zurück.
Seit fünf Jahren lernt Mitrova Deutsch: „Trotzdem ist die Sprache für mich noch schwierig“, gibt sie zu. „Ich bin etwas nervös.“ Hinzu kommt das anspruchsvolle Studium. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir schon in der sechsten Woche eine Klausur schreiben“, sagt sie. Am 25. November, einem Freitag, steht das erste 75-minütige Examen an. Fach: Allgemeine Chemie. Die vier Tage davor haben die Erstsemester keine Vorlesungen oder Seminare. „So lange haben Sie vielleicht noch nie für eine Klausur gelernt. Aber Sie werden diese Zeit brauchen“, betont Brümmer.
Die übrigen Klausuren des Semesters werden in den Semesterferien geschrieben. Am 7. März stehen sowohl analytische als auch anorganische Chemie an. „Mein Tipp: Planen Sie Ihre Urlaube erst, wenn Sie die Klausurtermine wissen“, sagt Brümmer. Die Chemie-Klausuren müssten die Erstsemester zwingend bestehen, um ins zweite Semester „versetzt“ zu werden. Die Examen in Mathematik und Terminologie dagegen könnten bis Ende des zweiten Semesters geschoben werden.
„Ich denke, wenn man gut organisiert ist, kriegt man das Studium hin“, sagt Mitrova. Ob sie nach dem Studium in Deutschland arbeiten will, weiß Mitrova noch nicht genau. In Berlin wolle sie nicht unbedingt bleiben. Eine andere deutsche Stadt könne sie sich eher vorstellen. Aber entschieden ist noch nichts: „Bis dahin kann noch viel passieren.“
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