Das politische Schicksal der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen ist ungewiss: Das Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) liegt auf Eis. Auf der kommenden Mitgliederversammlung am 11. Dezember will die ABDA dennoch Kammern und Verbänden ihre Ideen zu pharmazeutischen Dienstleistungen präsentieren. In den letzten Monaten wurden dazu Vorschläge von einer Arbeitsgruppe entwickelt. Vielmehr ist noch nicht bekannt. Interessant wird sein, ob – und wenn ja – welche Honorarforderungen die ABDA damit verbindet. Die Pharmaziestudierenden verlangen schon mal 1,15 Euro pro Minute.
Das VOAG sieht für neue pharmazeutischen Dienstleistungen einen Betrag von 150 Millionen Euro vor. Die Kassen sollen verpflichtet werden, über die Inhalte mit der Apothekerschaft Verträge zu schließen und einen Fonds einzurichten – vergleichbar mit dem Nacht - und Notdienstfonds. Seit dem Frühjahr arbeitet unter der Führung der Bundesapothekerkammer eine Expertengruppe aus Kammer- und Verbandsvertretern sowie ABDA-Fachleuten an einem Entwurf. Laut einem Beschluss der ABDA-Mitgliederversammlung erhebt die Apothekerschaft den Anspruch, diese Dienstleistungen selbst zu definieren.
Laut BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer geht es bei pharmazeutischen Dienstleistungen nicht darum, Geld an sich selbst zu verteilen, sondern Eckpunkte und Qualitätskriterien zu definieren. Zunächst hat die BAK grundlegende Kriterien für honorarfähige Dienstleistungen festgelegt: Diese sollen in der Fläche umsetzbar sein. Außerdem darf die Dienstleistung nicht bereits jetzt über das Fixum abgegolten sein und sie muss dem Patienten nutzen. Weiter soll gewährleistet sein, dass diese rechtssicher und mit der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) vereinbar ist. Und nicht zuletzt muss die Leistung anhand von objektivierbaren Kriterien für die Kasse n überprüfbar sein.
Gemessen an diesem Kriterienkatalog dürfte wenig überraschend die Medikationsanalyse im Zentrum der ABDA-Vorschläge stehen. Laut ABDA soll die Medikationsanalyse zu einer Regelleistung werden. Spannend ist hier allerdings die Frage, ob dies für alle Patienten gilt oder nur für solche mit fünf und mehr regelmäßigen Medikationen, wie es die ABDA bereits vor Jahren für sinnvoll hielt. Hierfür kämen laut Statistik etwa vier bis fünf Millionen sogenannte „multimorbide“ Patienten in Frage. Der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgesehene 150 Millionen Euro schwere Honorartopf reicht aber bei weitem nicht aus, um das einmal angedachte Honorar von rund 100 Euro für eine Medikationsanalyse zu finanzieren. Bei fünf Millionen Patienten blieben gerade einmal 30 Euro pro Jahr und Patient übrig – und für weitere pharmazeutische Dienstleistungen wäre der Topf bereits leer.
Im ABDA-Katalog für neue pharmazeutische Dienstleistung auftauchen wird vermutlich auch ein Pflegekonzept, beispielsweise ein Einschreibemodell, bei dem teilnehmende Patienten einen Anspruch auf eine Lieferung nach Hause haben. Ebenso vorstellbar als vergütete und abrechenbare Dienstleistung könnte das Verblistern sein sowie ein Rückrufmanagement. Schmerz- und Wundversorgung dürften hingegen nicht dazu gehören, weil sie entweder durch das Apothekenhonorar abgedeckt oder nicht von jeder Apotheke zu leisten sind.
Auch die Pharmaziestudierenden haben sich kürzlich Gedanken über neue pharmazeutische Dienstleistungen gemacht, die in die gleiche Richtung laufen. Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden Deutschland (BPhD) hat dazu ein Positionspapier verfasst. „Durch Pharmazeutische Dienstleistungen werden Apotheker auch in Zukunft ein unverzichtbarer Teil des Gesundheitssystems bleiben. Die Möglichkeit, sich unabhängig von der Anzahl der verkauften Packungen intensiv auf die Patienten zu konzentrieren und ihnen so noch mehr das Gefühl von Sicherheit und kompetenter Beratung zu vermitteln, wird nicht nur in der Bevölkerung zu einer gesteigerten Wertschätzung führen. Auch durch andere Berufsgruppen wie Ärzte wird durch die Kompetenzerweiterung eine erhöhte Anerkennung festzustellen sein“, heißt es dort.
Der BPhD hat drei Kategorien entwickelt: Für Dienstleistungen der ersten Kategorie sind keine Zusatzqualifikationen nötig. Sie sind auch von PTA durchführbar und benötigen keine weitere Anpassung der Räumlichkeiten. Der Zeitrahmen sollte sich hierbei auf ungefähr zehn Minuten beschränken. Beispiele sind die Blutdruckmessung und die Einweisung in medizinische Hilfsmittel, wie Inhalatoren.
Für Dienstleistungen der zweiten Kategorie können Zusatzqualifikationen nötig sein. Sie sind nur bedingt von PTA durchführbar und benötigen eine Anpassung der Apothekenbetriebsräume. Der Zeitrahmen kann sich hier von 30 Minuten bis auf zwei Stunden erstrecken. Beispiele sind Impfungen, Medication Review, Public Health Schulungen und Adhärenzberatungen auch im häuslichen Umfeld.
Dienstleistungen der dritten Kategorie sind sehr zeitaufwändig. Es handelt sich um komplexe Risikoprozesse für die Zusatzqualifikationen notwendig sind. Darüber hinaus müssen diese Leistungen regelmäßigen Qualitätskontrollen unterzogen werden. Beispiele sind pharmakogenetische Analysen, Full-Medication-Reviews, langfristige Adhärenzprüfungen und Folgeverschreibungen.
Pro Minute schlagen die Pharmaziestudierenden 1,15 Euro Honorar vor – also 69 Euro pro Stunde. „Nimmt man die durchschnittlichen Lohnkosten eines Apothekers zur Hand, so sollte die Vergütung packungsunabhängig gestaltet und bei mindestens 1,15 Euro pro Minute liegen. Dies würde die finanziellen Anreize für mehr Kundenzufriedenheit verstärken. Wenn Patienten wiederkommen, wird sich das auch im wirtschaftlichen Erfolg der Apotheke abzeichnen“, so der Vorschlag. Damit steht eine Zahl im Raum, an der sich die ABDA messen muss.
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