Wenn die pharmazeutischen Bedenken des Apothekers auf einem Rezept nach Ansicht der Krankenkasse nicht ausreichend begründet sind, droht die Retaxation. Zuletzt machten die DAK-Gesundheit und die AOK Baden-Württemberg mit entsprechenden Forderungen von sich reden. Die Teilnehmer einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC sind sich weitgehend einig: Pharmazeutische Bedenken dürften nicht hinterfragt werden. Die ABDA verweist auf die grundsätzliche Pflicht, pharmazeutische Bedenken auf dem Rezept zu begründen.
Insgesamt 83 Prozent der Befragten halten die Häufung von Retaxationen wegen nicht ausreichend begründeter pharmazeutischer Bedenken für inakzeptabel. 42 Prozent davon empfinden den Eingriff der Kassen als „gefährliche Entwicklung“ und sehen die heilberufliche Freiheit gefährdet. Fast genau so viele Stimmen bewerten den Vorstoß als „Frechheit“. Die Einschätzung des Apothekers müsse für sich stehen.
9 Prozent vertreten einen anderen Standpunkt, für sie gehen die Retaxationen in Ordnung, wenn die Begründung auf dem Rezept fehlt. Regeln seien schließlich Regeln. Weitere 4 Prozent finden das Vorgehen der Kassen zwar „hart, aber fair“. Jeder müsse seinen Teil zur Wirtschaftlichkeit des Systems beitragen – auch die Apotheker.
Noch einmal so viele sind nicht überrascht: Sie finden, die Sonder-PZN 02567024 für pharmazeutische Bedenken werde von den Apothekern „inflationär“ eingesetzt. Kein Wunder also, dass die Kassen zum letzten Mittel griffen. Am 6. und 7. Juli nahmen 213 Personen an der Umfrage teil.
Auch bei der ABDA sind Retaxationen trotz Angabe pharmazeutischer Bedenken bekannt. Ganz verzichten dürfen die Apotheker laut ABDA auf eine Begründung nicht: „Die pharmazeutischen Bedenken müssen zusätzlich zur Übermittlung der Sonder-PZN auf dem Rezept vermerkt werden“, heißt es aus der Jägerstraße. Die Pflicht zum Vermerk sei im Rahmenvertrag geregelt.
Alles gefallen lassen sollten sich die Apotheker der ABDA zufolge aber nicht: „Wenn bei Beanstandungen gegen vertragliche Bestimmungen verstoßen wird, ist anzuraten, die Einlegung von Rechtsmitteln zu prüfen“, so ein Sprecher.
Apotheken berichten von Fällen, in denen sie trotz Angaben von Gründen retaxiert wurden. Auf der Beanstandung wurde die Begründung als nicht ausreichend abgelehnt. Sie wurde etwa die Angabe „Compliance-Problem“ nicht anerkannt. Von welcher Kasse, ist in diesem Fall nicht bekannt.
Zu den Kassen, die bei pharmazeutischen Bedenken genau hinsehen, zählt die DAK. Laut einem Sprecher der Kasse ist die Angabe einer Begründung auf dem Rezept unbedingt nötig, wenn die Sonder-PZN 02567024 verwendet wird. Zum Umfang der Begründung heißt es bei der DAK, diese müsse plausibel sein. Auch von der AOK Baden-Württemberg sind Fälle bekannt, bei denen Apotheken Retaxationen erhalten haben, weil die Begründung fehlte.
Die DAK hat sogar Verordnungen über L-Thyroxin retaxiert, bei denen der Apotheker ohne weitere Begründung nur die Sonder-PZN aufgedruckt hatte. Der Wirkstoff steht inzwischen auf der Substitutionsausschlussliste und darf überhaupt nicht mehr ausgetauscht werden – auch nicht bei bestehenden Rabattverträgen. Die retaxierte Abgabe erfolgte aber wenige Monate, bevor die Aut-idem-Liste in Kraft trat.
In einem Kommentar des Deutschen Apothekerverbands (DAV) zum Rahmenvertrag heißt es, dass der Apotheker jede Abweichung von einem Rabattvertrag im Einzelfall stichwortartig zu begründen habe. Vorgaben für die schriftliche Begründung gibt es nicht, allerdings haben sich verschiedene Formulierungen durchgesetzt.
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