Das Bestellportal Pharma Mall ist unter Apothekern durchaus umstritten. Viele fühlen sich gezwungen, insbesondere patentgeschützte Rx-Medikamente statt beim Großhändler über das Gemeinschaftsunternehmen der Pharmakonzerne zu beziehen, und klagen über größeren Aufwand, Lieferprobleme und längere Wartezeiten. Ein Apothekeninhaber aus Nordrhein-Westfalen hat nun mit einem offenen Brief an den Hersteller Astellas seinem Ärger Luft gemacht.
„Disruptiv, unpraktisch und vor allem extrem langsam“: So sei die Abwicklung von Bestellungen über Pharma Mall, kritisiert Apotheker Carsten Moser in seinem Wutbrief. Anlass war eine Benachrichtigung der Herstellers Astellas, der nun auch in dem Direktvertriebssystem vertreten ist. Die beiden Urologika Vesikur (Solifenacin) und Betmiga (Mirabegron) seien deshalb fortan auch über das Portal beziehbar. Die „bekannten Funktionalitäten“ wie Merklisten, Bestellhistorie und Eingangsbestätigung würden den Bestellprozess einfacher und komfortabler machen.
Moser sieht das offensichtlich anders. Er empfinde es als Hohn, „dass Sie diesen Rückschritt in der Patientenversorgung – in einer Situation der ständigen Nichtverfügbarkeit Ihrer Produkte – jetzt auch noch als ‚freudiges Ereignis‘ verkaufen möchten“, schreibt er in einer E-Mail an Astellas. Genug Ware sei ja offensichtlich da, „sonst könnten Sie ja nicht direkt und über die Pharma-Mall liefern, während es nahezu unmöglich ist, Ware über den Großhandel zu beziehen.“
Und der Inhaber der Stern-Apotheke in Emmerich am Rhein erklärt auch, woher sein Frust rührt. Es dauere manchmal Tage, bis die Ware da ist. Selbst im besten Falle sei die Versorgung der Patienten am selben Tage – „ein in Deutschland etablierter und wünschenswerter Zustand“ – nicht möglich. „Von dem zusätzlichen Handlingaufwand und den schlechteren Konditionen ganz zu schweigen“, so der Pharmazeut. Auch die Notfallsdepots sieht er nicht als Lösung, da sie „enorm umständlich“ seien. Er fordert Astellas deshalb auf, die Belieferung des vollversorgenden Großhandels umgehend „im benötigten Maße wieder aufzunehmen, sodass wir unsere Patienten schnell und sicher versorgen können.“
Moser spricht damit Punkte an, die viele Apotheker frustrieren. Häufig wird der Vorwurf laut, dass das Direktportal die etablierten und optimierten Vertriebsprozesse über die Großhändler untergrabe. Allein schon dadurch, dass die Rabatte wegfallen, fielen oft höhere Preise an, ist ein weiteres Argument. Darüber hinaus wird den Herstellers immer wieder vorgeworfen, die Apotheker in die Pharma Mall zu zwingen, indem insbesondere hochpreisige Rx-Medikamente nicht mehr in den Großhandel gegeben werden, sondern nur noch direkt bezogen werden können.
Bei den beiden Produkten gibt es seit einiger Zeit Lieferprobleme. Zum 1. April 2016 war die neue Festbetragsgruppe der urologischen Spasmolytika eingerichtet worden; seitdem sind bestimmte Originalpräparate nur noch mit Aufzahlung zu erhalten. Astellas hatte seinen Preis für Vesikur angepasst, das Präparat ist damit ohne Mehrkosten erhältlich. In der Folge war die Nachfrage explodiert. Nicht nur Patienten, die bislang die neuerdings aufzahlungspflichtigen Präparate erhalten hatten, wurden umgestellt. Vielmehr waren Wechsel auch bei Patienten zu beobachten, die bislang mit den preiswerten Generika behandelt wurden.
Über den regulären Lieferweg via Großhandel gab es in der Folge immer wieder Defekte. Im Sommer 2016 entschloss sich die Firma, Apotheken die Direktbestellung zu ermöglichen. Mit der Abwicklung wurde der Dienstleister NextPharma beauftragt. Der Versand erfolgte porto- und verpackungsfrei. Allerdings mussten die Apotheken ihre Betriebserlaubnis bei der Bestellung mitliefern, zudem gab es maximale Bestellmengen von fünf Packungen bei Einheiten à 30 und 50 Stück und 10 Packungen bei Einheiten à 100 Stück.
Im vergangenen Jahr hatte die Noweda hat in Zusammenarbeit mit Astellas ein Notfalldepot eingerichtet; die Genossenschaft hatte zuvor eine öffentliche Selbstverpflichtung abgegeben, keine Ware ins Ausland zu verkaufen. In dringenden Fällen können Noweda-Kunden auf ein gesondertes Depot zuzugreifen. Nach Unternehmensangaben wird sichergestellt, dass jede Apotheke Ware erhält, wenn diese zur Patientenversorgung erforderlich ist. Die Auslieferung der Ware erfolgt mit der nächstmöglichen Tour in die Apotheke. Es handelt sich um Ware der Genossenschaft und nicht um ein Lager des Herstellers. Abgerechnet wird wie gewohnt über die Monatssammelrechnung.
Pharma Mall wurde 2002 ins Leben gerufen. Der Dienstleister ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Hersteller Bayer, Boehringer Ingelheim, GlaxoSmithKline (GSK), Merck Serono, Novartis und des Logistikers PharmLog. Dessen Gesellschafter sind wiederum Bayer, Merck, GSK, Boehringer, Novartis und Meda. Die Hersteller können die Plattform auch für interne Abläufe nutzen: Außendienst-Mitarbeiter können über verschiedene Bestellwege etwa Ärzte-Muster anfordern oder Werbemittel bestellen. Außerdem entwickelt pharma mall Schnittstellen zwischen den EDV-Systemen der Partner.
Als Ergänzung gibt es ein Call-Center: Apotheken können bei rund 30 PTA und PKA Fragen zu Artikelverfügbarkeit, Bündelungen und Preisen stellen. Kann der Dienstleister nicht helfen, werden übergeordnete Anliegen an den Hersteller weitergeleitet. „Der Bereich Service wurde in den vergangenen Jahren verstärkt ausgebaut“, so Windel.
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