Vertragsabschluss bei Anruf

Apothekerin deckt auf: HiMi-Kunden per Telefon abgefischt

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Berlin -

Versicherte der DAK-Gesundheit scheinen ins Visier von dubiosen Lieferdiensten für Pflegehilfsmittel zu geraten. „In einem aktuellen Fall wurde unsere 86-jährige Kundin von einem Lieferanten angerufen“, berichtet Anja Krohn, Inhaberin der Alaska-Apotheke in Lübz. „Die Patientin wurde nach einer Pflegestufe gefragt und ob sie Hilfsmittel benötige. Als sie angab, sie werde bereits von ihrer Apotheke beliefert und brauche nichts, sollten laut dem Anrufer wenigstens noch die Versicherungsdaten abgeglichen werden.“ Die böse Überraschung folgte: „Sie hatte damit unwissend einen Versorgungsvertrag abgeschlossen.“

Die Kundin wird seit längerer Zeit von der Alaska-Apotheke mit Pflegehilfsmitteln versorgt. „Umso stutziger wurde ich, als mich ihre Tochter kontaktierte und mir von einem merkwürdigen Anruf berichtete“, so Krohn. „Zunächst habe ein unbekannter Lieferdienst die ältere Frau gefragt, ob sie denn eine Pflegestufe habe. Unsere Kundin bejahte dies. Daraufhin wurde ihr angeboten, sie mit Hilfsmitteln zu beliefern.“ Die Kundin widersprach dem aber ausdrücklich und betonte, dass sie bereits von ihrer Apotheke vor Ort beliefert werde. „Der Mitarbeiter am Telefon wollte dennoch angeblich nur die Versichertendaten zum Abgleich aufnehmen, was die Patientin laut ihrer Tochter bereitwillig tat.“

Schneller Abschluss, schnelle Rücknahme

Was sie jedoch nicht wusste: „Sie hat damit einem Versorgungsvertrag zugestimmt. Dieser wurde noch am gleichen Tag von der DAK genehmigt.“ Aber damit nicht genug: „Ein wenig später wurde der 86-Jährigen einfach ein Paket vor die Tür gestellt. Sie hatte nicht einmal die Chance, die Annahme zu verweigern.“ In der Lieferung von „Hilfsparadies“ hätten sich drei Bettschutzeinlagen zur Wiederverwendung befunden. „Die Patientin benötigt die aber gar nicht, damit haben wir sie nicht ein einziges Mal versorgt“, merkt die Inhaberin an.

Die Patientin beklagt, dass sie weder auf den Vertragsabschluss noch auf die Zustellung eines Paketes hingewiesen worden sei. „Ihre Tochter hat sich daraufhin mit der DAK in Verbindung gesetzt, um alles rückabzuwickeln. Das ging erstaunlich leicht“, wundert sich Krohn. „Das ärgert mich besonders, weil ich erst kürzlich meine Filiale schließen musste und es ein Kraftakt war, die Versorgung meiner pflegebedürftigen Patienten mit in die andere Apotheke zu nehmen.“ So habe sie – obwohl es sich um ein und denselben Ort und dieselbe Inhaberin der beiden Apotheken handelt – etliche Anträge stellen müssen. „Aber wenn ein dubioser Lieferant am Telefon Verträge abschließt, dann wird das noch am selben Tag von der DAK genehmigt“, ärgert sie sich.

Keine Kündigung seitens der Kasse

Ein weiteres Problem: „Ich habe gar keine Kündigung von der DAK zu meinem bestehenden Vertrag mit der Patientin erhalten.“ Will heißen: „Wäre die Tochter nicht zu uns gekommen, um von dem Vorfall zu erzählen, hätte die Patientin ihren Monatsbedarf doppelt erhalten.“ Gerade in Zeiten, in denen überall das Geld knapp sei. „Deswegen wundert mich das Vorgehen der DAK umso mehr“, so Krohn. Sie betont: „Wir beliefern auch nicht pauschal einfach irgendwas, sondern immer nur das, was die Patienten auch wirklich benötigen. So sparen wir am Ende auch wieder Kosten.“ Ganz anders sehe es bei diversen Lieferdiensten aus. „Da wurde ohne Nachfrage ein Paket gepackt, ohne Sinn und Verstand, aber Hauptsache, die Pauschale von 42 Euro ist erschöpft.“

Ebenso steht für Krohn die Frage im Raum, „wie der Lieferant an die Daten meiner Kunden kommt“. Es könne nur eine enge Kooperation mit der DAK geben, vermutet sie. „Auf Nachfrage wollte mir die Kasse das natürlich nicht beantworten.“

Im Nachhinein erkläre das Vorgehen aber auch einen Anruf eines verärgerten Patienten, den die Inhaberin Ende vergangenen Jahres erhalten habe. „Er war richtig sauer und sagte, dass die letzte Lieferung seiner Pflegehilfsmittel totaler Mist war. Ich wunderte mich darüber und erklärte ihm, dass wir nicht involviert waren.“ Krohn schätzt nun, dass auch dieser Patient auf die Masche von „Hilfsparadies“ reingefallen ist. Auch er ist bei der DAK versichert.

DAK kennt das Problem

„Wir erhalten als DAK-Gesundheit Rückmeldungen zum Vorkommen solcher Anrufe und anders gearteter Kontakte (etwa via Websites)“, erklärt eine Sprecherin. Demnach würden etwa während des Anrufs Daten wie persönliche Krankenversichertennummer, der Pflegegrad und das Geburtsdatum abgefragt. „Mutmaßlich mit dem Zweck, die Versicherten dazu zu bewegen, Verträge etwa für Pflegehilfsmittel abzuschließen“, so die Sprecherin.

Und weiter: „Im Nachgang veranlassen diese Anbieter dann die Antragstellung für die Pflegehilfsmittel und reichen diese anschließend bei der DAK-Gesundheit zur Erstattung der Leistungen bis zur gesetzlichen Höchstgrenze ein.“ Man rate den Versicherten, „am Telefon auf keinen Fall Auskünfte über ihre Kranken- beziehungsweise Pflegekasse, zu ihren finanziellen Verhältnissen, zu Pflegegraden oder Pflegegeldansprüchen“ zu geben.

„Halten uns strikt an Datenschutz“

„Die DAK-Gesundheit, sei es als Kranken- oder als Pflegekasse, nimmt in keinem Fall entsprechende Kontaktaufnahmen und Aufforderungen vor“, stellt die Sprecherin klar. „Zudem halten wir den Datenschutz strikt ein und verarbeiten in keinem Fall und zu keinem Zeitpunkt Sozialdaten unrechtmäßig.“

Auch eine Kooperation mit diversen Lieferanten schließt man aus: „Die DAK-Gesundheit schließt in diesem genannten Versorgungsbereich keine Verträge mit Leistungserbringern ab; die rahmengebenden Verträge für diesbezügliche Leistungserbringungen werden zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Leistungserbringern geschlossen.“

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